352 Jialien. (April 8.—Mai 15.)
Massauah ein, Ras Alula sei mit den Abessiniern, die Marzano
auf 70,000 bis 80,000 Mann schätzt, in der Richtung gegen Ghinda
und Asmara abgezogen; die Ebene von Sabarguma wäre fast voll-
ständig geräumt. Es sei sicher, daß der Negus, welcher vorgestern
in Ghinda übernachtete, den Rückzug angeordnet habe.
8. April. (Afrikanische Politik.) General San Marzano
meldet telegraphisch aus Massauah, Ras Alula sei in Ungnade ge-
fallen und werde sicher durch Ras Agos ersetzt werden.
12. Mai. (Kolonial-Politik.) Der Abg. Baccarini stellt
einen Antrag, in dessen erstem Teil den Truppen Anerkennung ge-
zollt wird. Dieser wird durch Akklamation angenommen. Der
zweite Teil, in welchem die Rückberufung der Truppen verlangt
wird, wird mit 302 gegen 80 Stimmen abgelehnt nach einer Rede
Crispis, in der dieser sagt,
die Diskussion sei patriotisch: kein Abgeordneter habe die Räumung
Massauahs verlangt. Er würde die Räumung von Afrika überhaupt be-
greifen; er begreife jedoch nicht die Räumung von Sahiti, denn Massauah
müsse in Sahiti verteidigt werden. Der Ministerpräsident weist die Be-
hauptung zurück, als sei Italien in Massauah Aegypten tributpflichtig. Die
Regierung könne nicht sagen, welches ihre Haltung in der Zukunft sein
werde; und wenn die Regierung es sagen könnte, so dürfte sie es nicht. Der
Regierung liege es ob, die sich darbietenden Gelegenheiten in würdiger Weise
zu benutzen, indem sie sich auf das gegenwärtig Besetzte beschränke und An-
griffe vermeide. Er hege das Vertrauen, daß ein würdiger Friede, den auch
England und der Negus wünschten, geschlossen werden würde. Koloniale
Ausbreitung sei ein Lebenselement für die modernen Nationen. Die Vor-
teile, die daraus gezogen werden könnten, ließen sich nicht ziffernmäßig be-
rechnen; wenn man aber wirklich große Vorteile gewinnen wolle, dürfte man
nicht damit beginnen, die Flucht zu ergreifen. „Wir sind in Massauah und
müssen da bleiben.“ Er appelliere an den Patriotismus und die Ehrlich-
keit aller derjenigen, welchen das Wohl und die Größe des Vaterlandes am
Herzen liege, und glaube, er werde dies nicht vergeblich thun. Die Kammer
nimmt darauf die von der Regierung akzeptierte Tagesordnung, welche der
Regierung Vertrauen ausspricht, mit 302 gegen 40 Stimmen an.
15. Mai. (Finanzpolitik Crispis.) Nach zweitägiger De-
batte, in der Crispi erklärt hatte, daß er die Frage der Kollektiv-Ver-
antwortlichkeit des Kabinets aufwerfe und nachdem Magliani gleich-
falls die Erklärung abgegeben, daß er infolge des Votums über
die lokalen Steuern kein persönliches Vertrauensvotum verlangen
könne, verwirft die Kammer den Antrag Mussi (äußerste Linke)h,
welcher die Prinzipien der Finanzpolitik des Kabinets mißbilligt.
Hierauf wird die Motion Del Giudice, welche das Vertrauen der
Kammer in die Finanzpolitik der Regierung ausspricht, bei nament-
licher Abstimmung mit 210 gegen 29 Stimmen angenommen.