Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

Schweiz. (Februar 22.—März 13.) 365 
billigung der von dem Polizeihauptmann Fischer durch die be- 
kannten Mitteilungen an die deutschen Reichstagsabgeordneten Bebel 
und Singer begangenen Indiskretionen und der von ihm versuchten 
Rechtfertigungen aus. 
Der Bundesrat beansprucht das Recht der Aufsicht und der Ober- 
leitung über Untersuchungen, die im Interesse der politischen Polizei geführt 
werden; er erwartet, daß sich ähnliche Vorgänge nie und nirgends mehr 
wiederholen werden, und stellt Maßnahmen in Aussicht, die ihm für die Zu- 
kunft einen bestimmenden Einfluß hinsichtlich derartiger Untersuchungen sichern. 
Infolge dieser Kundgebung erläßt Polizeihauptmann Fischer 
in der „Neuen Züricher Zeitung“ folgende Erklärung: 
„Da man an gewissen Orten geneigt zu sein scheint, für die von 
Herrn Bebel im deutschen Reichstage gemachten Aeußerungen über Besuche 
deutscher Polizeibeamten in Zürich mir die direkte oder indirekte Verant- 
wortlichkeit beizumessen, so sehe ich mich bewogen, dieselbe in beiden Formen 
abzulehnen. Ich füge im weiteren bei, daß die Herren Bebel und Singer 
über diesen Punkt wie über die Amtsführung meines Vorgängers Bollier 
mich mit keiner Frage behelligt und auch spontan von mir aus keine bezüg- 
lichen Mitteilungen erhalten haben. Die jeweilige Anwesenheit des Herrn 
Polizeipräsidenten Feichter von Straßburg in Zürich, mit dem ich stets den 
angenehmsten Verkehr unterhielt, konnte für mich nie auffällig sein. Was 
über splendide Bewirtungen vorgebracht wurde, ist mir fremd. 
„Deutsche Polizeibeamte sind in Zürich nachweisbar von vielen Leuten 
persönlich gekannt, und es darf nicht befremden, wenn ihr Eintreffen zu 
Gerüchten Veranlassung bietet. Dazu kommt, wie auch nur eine flüchtige 
Durchsicht gewisser Blätter lehrt, daß die hiesigen Sozialisten von den Fahrten 
solcher Beamten durch ihre auswärtigen Genossen meist genau und öfter im 
voraus unterrichtet sind.“ 
Die „N. Z. Ztg.“ schreibt zu diesen Bemerkungen: 
„Wir haben diese Erklärung mit Sicherheit erwartet. Sie beweist, 
daß es recht lügenhafte Spatzen waren, die der Abgeordnete Bebel von den 
Dächern Zürichs hat pfeifen hören. Es scheint, dab nicht bloß die Polizei 
ihre Spitzel und agents provocateurs hat, und daß das edle Handwerk des 
Sykophantentums, welches ein allezeit zu den niedrigsten Insinuationen eil- 
fertiges demokratisches Blatt den Liberalen zuschrieb, in ganz andern Lagen 
prosperiert.“ 
22. Februar. (Der Liberale Verein in Zürich) nimmt 
in einer sehr zahlreich besuchten Versammlung eine Resolution an, 
mittelst welcher erklärt wird: 
1) es sei wünschbar, daß das Bundesstrafrecht durch Aufnahme spe- 
zieller Bestimmungen gegen den Mißbrauch des Asylrechts durch fremde 
Agitatoren, wie gegen provokatorische Umtriebe von Polizeispionen ergänzt 
werde; 2) der Bundesrat möge wie in der Vergangenheit so auch in der 
Zukunft die Würde des Landes und die Freiheit seiner Institutionen wahren. 
13. März. (Politische Polizei.) Der Bundesrat erklärt 
in einer besonderen Botschaft an die eidgenössischen Räte in betreff 
der Handhabung der politischen Polizei: 
Es ist uns daran gelegen, mit den anderen Völkern und deren Regie-
	        
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