370 Helgien. (Juni 12.—Dezember 21.)
Sozialisten, die in verschiedenen Städten kandidierten, erhielten ver-
hältnismäßig wenig Stimmen.
12. Juni. (Abgeordnetenwahlen.) 35 Senatoren und
69 Deputierte, die Hälfte des Senats und der Deputiertenkammer,
sind zu wählen. Die Wahlen fallen für die Liberalen ungünstig
aus. Die Klerikalen behaupten alle Stellungen und gewinnen noch
die beiden Mandate von Ostende und Virton. In Brüssel, wo 8
Senatoren und 16 Deputierte zu wählen waren, kommen die Kleri-
kalen mit den Liberalen in Stichwahl. Die Klerikalen erhielten
hier 8000, die Liberalen 7000, die Radikalen 3000, die Sozialisten
800 Stimmen.
19. Juni. (Stichwahlen.) In Brüssel gewinnen bei den
Stichwahlen für den Senat und die Kammer die Katholiken sämt-
liche acht Sitze im Senat, und außer den bereits innegehabten 14
Sitzen in der Kammer noch einen, den bisher die Liberalen besaßen.
Von der liberalen Liste wird Bürgermeister Buls allein gewählt.
Nach den offiziellen Resultaten besteht die Kammer aus 97
Katholiken und 41 Liberalen, und der Senat aus 50 Katholiken
und 19 Liberalen.
Mitte November. (Belgiens politische Aufgaben.) König
Leopold bespricht dem Verwaltungsrat des vlämischen Theaters
gegenüber die allgemeine Lage seines Landes mit folgenden, viel-
diskutierten Worten:
„Lebt man von Gott begnadet oder vom Glück reichlich begünstigt,
so nan man der Sorgen wenige; gehört man indes einem kleinen Lande an,
so soll man vorsichtig sein. Wir haben die Fremdherrschaften immer ge-
tragen, aber seit 57 Jahren bilden wir einen unabhängigen Staat. Es gilt,
unsere Selbständigkeit zu hüten, wollen wir dieselbe bewahren. Gesaßren
sind fortwährend im Gesichtskreis. Wir müssen bereit sein; wir sind klein,
wir müssen wachsam sein. Es wäre mir nichts lieber, als meinen Lands-
leuten nur angenehme Dinge sagen zu können, aber es gehört sich, daß ich
ihnen die Wahrheit in aller Offenheit melde. Ich bin ein alter Diener des
Staates und halte darauf, ein guter Diener zu sein; alle Belgier müssen
diesem Streben folgen.“
Es wird behauptet, daß die Rede in erster Linie den Zweck
habe, die Kammern zu Gunsten der Annahme der persönlichen Wehr-
pflicht umzustimmen.
21. Dezember. (Vlämische Sprache.) Die Repräsentanten-
kammer nimmt einen Gesetzentwurf betreffend die Anwendung der
vlämischen Sprache bei Verhandlungen in Strafssachen an.