Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

380 Kußland. (Jannar 2. Hälfte—März Anfang.) 
Der Justizminister tritt dem Projekte mit größlter Entschiedenheit 
entgegen. 
2. Hälfte Januar. (Prohibitivmaßregeln.) Der Unter- 
richtsminister Deljanow ordnet, um die mittellose polnische Jugend 
vom Besuche der Hochschulen abzuhalten, die Erhöhung der Ein- 
schreibegebühr für die Warschauer Universität von 50 auf 100 
Rubel an. 
Mitte Februar. (Adresse der evangelischen Allianzen.) 
Das Zentral-Komitee der evangelischen Allianzen übersendet dem Zar 
eine Adresse, worin um Schutz der Glaubensfreiheit der Lutheraner in den 
Ostseeprovinzen gebeten wird. (Vgl. Anf. Januar und unten März.) Im 
Auftrage des Zars beantwortet Pobedonoszew, der Vorstand der „heiligen 
Synode", die Adresse in ablehnendem Sinne, mit dem Hinzufügen, die 
Orthodoxie in den Ostseeprovinzen sei nicht der ungreisende sondern der an- 
gegriffene Teil. Zum Schlusse weist die Antwort darauf hin, in West-Europa 
exristiere die Toleranz nur theoretisch, wie sich bei mehreren Anlässen in 
Oesterreich gegenüber den Slawen deutlich ergeben habe. 
25. Februar. (Ein russisches Promemoria) wird von 
Herrn v. Nelidow der Pforte überreicht. Es besagt: 
Die im Berliner Vertrage vorausgesehene, zur Bestätigung des Prinzen 
Ferdinand von Koburg als Fürsten von Bulgarien notwendige Zustimmung 
der Mächte ist nicht erteilt worden. Daher ist seine Anwesenheit an der 
Spitze des Vasallen-Fürstentums illegal und jenem Vertrage zuwider. Die 
kaiserlich russische Regierung ersucht infolge dessen die Hohe Pforte, das 
Voranstehende der bulgarischen Regierung effiziel- zu notisizieren und diese 
Notifikation zur Kenntnis der Großmächte zu bringen. 
Anfang März. (Pressionen der evangelischen Kirche.) 
In der Rigaschen Zeitung wird unter der Ueberschrift „Anklagen 
gegen livländische Prediger“ ein Ukas des dirigierenden Senats vom 
28. Januar (10. Februar) 1888 mitgeteilt, 
worin unter Berufung auf eine Erläuterung des genannten Senates 
dahingehend, „daß die Zulassung orthodoxer (geeisstrachrtscheh Personen 
durch Geistliche andersgläubiger christlicher Konfessionen zum Genuß des 
heiligen Abendmahls nach ihrem (der andersgläubigen Geistlichen) Ritus und 
die Vollziehung einer Ehe zwischen einer Person orthodoxer und anders- 
gläubiger christlicher Konfession vor Vollziehung dieser Ehe durch einen ortho- 
doxen Geistlichen, ein Verbrechen bildet: erstens gegen den Glauben, zweitens 
aber wider die Familienrechte, wofür im Strafgesetz nicht bestimmt ist, die 
Schuldigen nach Ermessen der geistlichen Obrigkeit zur Verantwortung zu 
ziehen, und daß lutherische Prediger für Verbrechen dieser Art der in den 
Art. 193 und 1576 des Strafgesetzbuchs festgesetzten Strafe zu unterziehen 
sind, ohne hierbei die Verhängung dieser Strafe dem geistlichen Gericht an- 
heimzustellen,“ ein Urteil des livländischen Hofgerichts aufgehoben wird, 
welches die Behandlung der erwähnten Vergehen dem evangelisch-lutherischen 
Konsistorium unterstellt, und ferner dem livländischen Gericht vorgeschrieben 
wird, daß es in Zukunft bei der Entscheidung von allen Sachen ähnlicher 
Art, unausweichlich diese im Ukase des dirigierenden Senats enthaltenen Hin- 
weisungen zur Richtschnur nehme. 
 
	        
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