Serbien. (Juli Mitte.) 399
des Kronprinzen statt, der alsbald über Wien nach Belgrad zu
seinem Vater geleitet wird.
Mitte Juli. (Ehescheidung des Königspaares.) Die
heilige Synode, bestehend aus dem Metropoliten Erzbischof von
Belgrad, Monsignore Theodosius, dem Bischof von Nisch, Monsig-
nore Demetrius, und dem Bischof von Zica, Monsignore Nikanor,
versammelt sich in Belgrad, um eine Entscheidung bezüglich der
Scheidung der Ehe des Königspaares zu treffen. Die Synode er-
klärt jedoch alsbald, in der Scheidungs-Angelegenheit des Königs
inkompetent zu sein. Die historisch konstatierten Präcedenzfälle seien
nicht maßgebend und auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Infolge dessen geht die Angelegenheit an das Belgrader Kon-
sistorium. Dieses benachrichtigt sogleich die Königin von der Ein-
reichung der Ehescheidungsklage seitens des Königs. Die Königin
bittet und erhält eine fünfzehntägige Bedenkzeit zur Beantwortung
des Aktes des Konsistoriums. Am 20. August sendet sie aus Ver-
sailles ihre Einrede gegen die Klage, welche mit folgenden Forde-
rungen schließt:
I. Das Konsistorium wolle gemäß des Gesetzes über die kirchlichen
Behörden die Vornahme der vorgeschriebenen Versöhnungsversuche anordnen.
II. Wolle das Konsistorium mich persönlich vor sein Forum laden
zuerst behufs des Aussöhnungs-Versuches und wenn solcher vor demselben
erfolglos bleiben sollte, behufs Erhebungen und Urteilsschöpfung in dieser
Streitangelegenheit.
Da die Entscheidung des Konsistoriums zweifelhaft ist, so
veröffentlicht am 24. Oktober das Amtsblatt „Srzste Novine“ ein
Schreiben des Königs an den Metropoliten der autokephalen serbi-
schen Kirche, worin er diesen bittet, die Scheidung auszusprechen.
Dasselbe lautet:
Ew. Eminenz!
Nach staatsrechtlichen Grundsätzen untersteht der Monarch keinerlei
Gerichten, somit auch nicht der Jurisdiktion der kirchlichen Behörden.
Nach den kirchenrechtlichen Vorschriften der orthodoxen Kirche sind es
die Diözesan-Bischöfe, denen die Ausübung der richterlichen Gewalt in Kirchen-
Angelegenheiten obliegt. Die Eparchial-Konsistorien vermögen nur mit Ein-
willigung und auf Anordnung des betreffenden Diözesans Recht zu sprechen.
Der Erzbischof von Belgrad ist nicht nur Bischof in seiner Diözese,
sondern zugleich Metropolit für ganz Serbien, und als solcher Rangältester
unter seinen bischöflichen Brüdern, Vorsteher der gesamten geistlichen Hierarchie
der antokephalen orthodoxen Kirche in Unserem Königreiche und nach den
kanonischen Gesetzen dieser Kirche zugleich auch höherer geistlicher Richter als
die übrigen Bischöfe.
Demnach haben Wir uns, da Wir in unserer vaterländischen Kirche als
Gesalbter Gottes eine Sonderstellung einnehmen, nach langen, bitteren Dul-
dungen in Unserer unglücklichen Ehe mit Unserer Gemahlin Natalie, und