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je 100 Mark jährlichen Zuschuß erhielten. Durch diesen Vertei—
lungsmodus waren die kleinen Dörfer, die nur einen Lehrer haben,
erheblich gegen die größeren Orte mit mehreren Lehrern bevorzugt.
Obgleich nun die zu verteilende Summe doppelt so groß war als
die Einnahmen, auf welche die Gemeinden zu verzichten hatten, so
stellte sich doch heraus, daß in vielen Städten ein so hohes Schul-
geld bestehe, daß ihre Einbuße durch den Zuschuß des Staates nicht
gedeckt werde. Für diese Orte wäre es also nötig gewesen, den
Rest durch eine Erhöhung sonstiger Kommunalsteuern beizubringen.
Dagegen zeigte sich eine große Abneigung. Durch Erhöhung der
staatlichen Zubuße um einige Millionen hätte man die Schwierig-
keit gehoben. Dazu wollte sich aber der Finanzminister, obgleich
es wohl vorauszusehen war, daß die Finanzlage in nächster Zeit
die Erhöhung gestatten würde, nicht verstehen. Immer wäre das
noch keine Veranlassung zu großem Streit gewesen, wenn nicht ein
prinzipieller Gegensatz sich des Objekts bemächtigt hätte. Bekannt-
lich sind die klerikalen Parteien von je Gegner der freien Volks-
schule gewesen, weil damit die Kreierung von Kirchenschulen un-
möglich gemacht wird. Auch sonst gibt es prinzipielle Anhänger
des Volksschulgeldes. Diese ergriffen das Interesse der Kommunen,
welche durch die Verteilung nicht völlig gedeckt waren und amen-
dierten die Regierungsvorlage dahin, daß besondere schulgeld-freie
(Armen-) Schulen neben schulgeld-zahlenden errichtet werden könnten
und auch sonst unter gewissen Kautelen noch Schulgeld forterhoben
werden dürfe, wo der Staatszuschuß den Ausfall nicht decke. Für
diese Fassung trat mit dem Zentrum das Gros der Konservativen
unter Führung des Abgeordneten v. Rauchhaupt ein und das
Siegel wurde auf diese Bundesgenossenschaft gedrückt dadurch, daß
man das Gesetz für eine Verfassungs-Aenderung erklärte und diese
Verfassungs-Aenderung so formulierte, daß in Zukunft jeder Schritt
weiter auf dieser Bahn von neuem als eine Verfassungs-Aenderung
behandelt werden müßte (vergl. 18. April). Die Mittelparteien
schlugen statt dessen einen Ausweg vor, der das Prinzip der freien
Volksschulen rettete und den interessierten Kommunen dadurch zu
Hilfe kam, daß sie in gehobenen Volksschulen") das Schulgeld
*) In dem Kalendarium ist ein Satzfehler zu verbessern. S. 82