Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 23.—29.) 49 
23. Februar. (Erweiterung der deutschen Bündnisse.) 
Zu der in letzter Zeit vielfach erörterten Frage, ob auch Belgien 
und Holland durch formellen Anschluß an das Bündnis der mittel- 
europäischen Mächte Stellung genommen, erfährt die „Kreuz- 
zeitung“: 
Es habe sich nie um formellen Anschluß beider Staaten an die Frie- 
densliga gehandelt, es bestünden aber den Tendenzen der Friedensliga ent- 
sprechende allgemeine Verabredungen. Auch bestreitet die Kreuzzeitung, daß 
über die Maasbefestigung in Berlin eine beruhigende Erklärung abgegeben 
worden sei. Für Deutschland habe es derselben nicht bedurft. 
23. Februar. (Bulgarische Frage.) Die „Nordd. Allg. 
Ztg." bespricht die von Rußland (s. dasf.) gemachten Vorschläge 
betreffs Bulgariens. 
Sie bezeichnet die Behauptung, daß die russischen Vorschläge der 
Unterstützung aller Mächte bedürften, um bei der Pforte Annahme finden zu 
können, als eine irrtümliche. Schon aus eigener Initiative könne und sollte 
die Pforte die der Kongreßakte widersprechende Regierung des Prinzen von 
Koburg in Bulgarien als ungesetzlich erklären. Die Pforte sei durch die 
Ausübung der Suzeränetätsrechte über Bulgarien in erster Reihe berufen, 
die dortigen Zustände als verfassungswidrig zu kennzeichnen; sie bedürfe 
hiezu keines Konsenses einer andern Macht, noch weniger aller Großmächte; 
sie hat alles Recht, gegen die eigenmächtige, ungesetzliche Lage in Bulgarien 
mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigener Initiative vor- 
zugehen. Wenn eine Macht, namentlich Rußland, bei der Pforte die Her- 
stellung vertragsmäßiger Zustände in Bulgarien beantragt, so kann die Pforte 
sich a limine nicht abweisend verhalten; die Abweisung wäre ein déni de 
justice. Rußland hat ein  unzweifelhaftes Recht, einen solchen Antrag zu 
stellen; die Verpflichtung der Pforte, dem Antrage stattzugeben, wird kaum 
stärker, wenn auch andere Mächte sich Rußland anschlichen. Deutschland 
hält an dem Vertragsrechte von 1878 ohne Rücksicht auf die 1885 statt- 
gehabten Verletzungen fest und ist rückhaltlos bereit, sobald der russische An- 
trag gestellt wird, sich demselben anzuschließen. 
24. Februar. (Reichstag) genehmigt in 2. Lesung den Ge- 
setzentwurf Munckel (ds.), betr. Entschädigung unschuldig Ver- 
urteilter. 
27. Februar. (Bayern.) Abg.-Hs.: Beratung über eine 
Petition der Würzburger Zentrumswähler auf Abänderung des 
Wahlgesetzes, nachdem die vielfach versuchte Wahl in Würzburg (vgl. 
Gesch.-Kal. 1887 VI. 22) infolge Stimmengleichheit der liberalen 
und klerikalen Wahlmänner stets ergebnislos verlaufen. 
Nachdem Ruppert (klerikal) für Neueinteilung der Wahlkreise ge- 
sprochen, erklärt der Minister des Innern, die Regierung stehe auf dem 
Boden des Gesetzes. Keine Wahlkreiseinteilung werde alle Parteien befrie- 
digen, bevor nicht die Parteien ein friedliches Einvernehmen ermöglichen. 
In betreff Würzburgs sei eine gesetzliche Hilfe unmöglich; die einzige Hilfe 
sei die Verständigung der Wahlmänner. 
27. bzw. 29. Februar. (Preußen: klerikale Anträge.) 
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Europ. Geschichtskalender. Bd. XXIX. 
  
 
	        
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