Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April Anf. — Mitte.) 73
von herrlichen Palmen, Blumen und Kränzen, welche in ihrer zum Teil
kunstvollen Herstellung bei der feierlichen Aufbahrung der Leiche im Dom,
wie an der Ruhestätte im Mausoleum zu einem beredten Schmuck wurden.
In Adressen von geschmackvoller, oft künstlerischer Ausstattung haben Ver-
bände, Gemeinden und Korporationen, wissenschaftliche und Kunst-Institute,
Vereine und Innungen ihrem Schmerze über das erschütternde Ereignis Aus-
druck gegeben. Noch hat die Menge der Beileidsbezeugungen in Zuschriften,
Gedichten und Telegrammen nicht ihren Abschluß gefunden.
Rührend und ergreifend sind solche Beweise wahrer Trauer und
inniger Teilnahme für das wunde Herz des Sohnes, dem sie in dieser Zeit
des tiefen Leids lindernden Trost und erquickende Stärkung gewähren. Sie
ermutigen Mich aber auch, an die schweren Aufgaben Meines Fürstlichen
Berufs als Erbe der Krone vertrauensvoll heranzutreten und als ein teueres
Vermächtnis Meines unvergeßlichen Herrn Vaters nach Seinem Vorbilde an
der Wohlfahrt des deutschen Volkes mit allen Meinen Kräften fortzuarbeiten.
In diesen Empfindungen drängt es Mich allen, welche durch ihre herzerheben-
den Kundgebungen das teuere Andenken des dahingeschiedenen Kaisers geehrt
haben, Meinen aufrichtigsten herzlichsten Dank auszusprechen.
Ich beauftrage Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.
Charlottenburg, den 4. April 1888. Friedrich.
An den Reichskanzler.
Anf.—Mitte April. (Kanzler-Krisis.) Am 5. April
bringt die Köln. Zeitung folgendes Telegramm:
„Wien, 4. April. In gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen erhält
sich seit heute mittag das Gerücht, daß Fürst Bismarck sein Entlassungsgesuch
einzureichen im Begriff stehe. Als Grund seien Gesundheitsrücksichten ange-
geben, doch gilt es für wahrscheinlich, daß ein geheimer Konflikt vorliege."
Am Abend des 5. April bringt dieselbe bereits einen längeren,
von Berlin an sie gelangten Artikel:
In hiesigen diplomatischen Kreisen gibt sich große Aufregung kund.
Man spricht in ernster Weise von der Möglichkeit eines baldigen Rücktritts
des Fürsten Bismarck und bringt dieselbe in Verbindung mit dem so oft
schon aufgetauchten und immer wieder beiseite geschobenen Plane einer ehe-
lichen Verbindung zwischen dem Prinzen Alexander von Battenberg und der
Prinzessin Viktoria von Preußen. Man will aus zuverlässiger Quelle er-
fahren haben, daß der Prinz bereits in nächster Zeit zum Zwecke der Be-
werbung hierher zu kommen beabsichtige und daß auch die Königin Viktoria
von England auf ihrer demnächstigen Rückreise von Florenz über Darmstadt
hierher zu reisen gedenke, um die Freiwerberin für den Schwager ihrer Lieb-
lingstochter zu sein. Aus beiden Umständen zieht man hier den Schluß,
daß der so oft erörterte Heiratsgedanke einen bedeutenden Schritt vorwärts
seiner Erfüllung gegenüber gemacht habe, und man folgert daraus, daß der
Reichskanzler einer solchen, seiner bisherigen Politik unbedingt widerstreiten-
den Entwicklung der Dinge gegenüber genötigt sein werde, seine Stellung auf-
zugeben. Der Kreis, in dem diese Gerüchte mit großem Nachdrucke erörtert
werden, ist ein so ernster, daß man dieselben nicht ohne weiteres unberück-
sichtigt lassen kann. Immerhin möchten wir unsere Überzeugung dahin aus-
sprechen, daß alle jene Betrachtungen denn doch in die Zukunft viel zu
schwarz sehen. Es ist ja unzweifelhaft richtig, daß die Heirat des Prinzen
Alexander von Battenberg mit irgend einer preußischen Prinzessin von einem
ganz andern Standpunkt beurteilt werden muß, als eine jede andere fürstliche
Heirat. So lange die bulgarische Frage noch nicht gelöst ist, so lange trägt