82 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 18.—21.)
Nach einiger Zeit stellt sich heraus, daß die ganze Erzählung
nicht wahr ist. Sie reduziert sich darauf, daß die Kaiserin im Cercle
an eine Dame, die ihr französisch vorgestellt wurde, einige gleich-
gültige französische Worte gerichtet.
18.—21. April. (Volksschulgesetz.) Zweite und dritte Le-
sung des Gesetzes im Abgeordnetenhause.
Die Abgeordneten Hobrecht (nat.-lib.), v. Holtz (kons.) und Freiherr
v. Zedlitz und Neukirch (frkons.) beantragen:
1) Den § 5 Absatz 2 Nr. 2 folgendermaßen zu fassen: „an einzelnen
gehobenen Volksschulen, wenn alle schulpflichtigen Kinder des Schulbezirks,
für welche die Aufnahme in eine solche Schule nicht nachgesucht wird, in
einer schulgeldfreien Schule des Bezirks Aufnahme finden. Als gehobene
Volksschulen gelten diejenigen Schulen, deren Leistungen über die zur Er-
füllung der allgemeinen Schulpflicht vorgeschriebenen Anforderungen hinaus-
zugehen bestimmt sind, ohne das Ziel der Mittelschule zu erreichen. Der
Staatsbeitrag (§ 1) wird für Lehrerstellen an solchen Schulen, in denen
Schulgeld erhoben wird, nicht gezahlt. Im übrigen gelten dieselben als
Volksschulen im gesetzlichen Sinne."
2) In § 5 Absatz 3 die Worte in der 5. und 6. Zeile: „die einst-
weilige Forterhebung von Schulgeld“ zu ersetzen durch die Worte: „die Er-
hebung von Schulgeld auf die Dauer von längstens zehn Jahren.“
Die deutsch-freisinnige Partei beantragt, die Regierungsvorlage wieder
herzustellen.
Diese Anträge werden abgelehnt und durch Vereinigung des
Zentrums und der Deutschkonservativen folgende Fassung ange-
nommen:
* 4.
Die Erhebung eines Schulgeldes bei Volksschulen findet fortan
nicht statt.
Nicht ausgeschlossen wird durch diese Vorschrift die Erhebung eines
Schulgeldes:
1) für solche Kinder, welche innerhalb des Bezirkes der von ihnen
besuchten Schule nicht einheimisch sind,
2) bei einzelnen Schulen, deren Unterrichtsziele über die zur Erfüllung
der allgemeinen Schulpflicht vorgeschriebenen Anforderungen nicht hinaus-
gehen, wenn alle schulpflichtigen Kinder des Schulbezirks, für welche die
Aufnahme in eine solche Schule nicht nachgesucht wird, in einer schulgeld-
feien Schule des Bezirks Aufnahme finden. Der Staatsbeitrag (§ 1) wird
für Lehrerstellen an solchen Schulen nicht gezahlt; im übrigen aber gelten
dieselben als Volksschulen im gesetzlichen Sinne.
Außerdem kann bei Volksschulen, bei denen der durch Aufhebung des
Schulgeldes entstehende Ausfall durch den Staatsbeitrag (§ 1) oder weitere
dafür zu gewährende Staatsbeihilfen nicht gedeckt wird, die einstweilige
Forterhebung von Schulgeld mit Genehmigung bei Landschulen des Kreis-
ausschusses, bei Stadtschulen des Bezirksausschusses stattfinden, wenn andern-
falls eine erhebliche Vermehrung der Kommunal= oder Schulabgaben ein-
treten müßte. Der Gesamtertrag des hiernach fortzuerhebenden Schulgeldes
darf jedoch die an der Deckung fehlende Summe nicht übersteigen und von
fünf zu fünf Jahren ist zur Weitererhebung eine erneute Genehmigung
erforderlich. In den Provinzen Posen und Schleswig-Holstein ist bis zu
dem in dem § 155 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom