Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Okt. Anf.—6.) 115
Wir kennen aber nur zu gut die Schrecknisse des Krieges, dieser entsetzlichsten
aller Geißeln. Wer den Frankfurter Friedensvertrag zu zerreißen sucht, der
treibt, ob mit bewußter Absicht oder nicht, dem Kriege zu. Nun wohl: die
weit überwiegende Mehrzahl auch derjenigen Leute in Elsaß-Lothringen,
welche sich mit dem neuen Stande der Dinge noch nicht abgefunden haben,
sagt — die einen laut, die anderen leise — mit Bestimmtheit: „Vor allem
nur keinen Krieg! Bleiben wir lieber, was wir sind!“ Und die es nicht
sagen, die — denken es.“
Anfang Oktober. (Landtagswahlen in Baden.) Die
Nationalliberalen behaupten einschließlich der 18 Mandate, welche
nicht zur Neuwahl standen, 32 Mandate unter 63. Sie haben 14
Sitze verloren. Das Zentrum gewinnt 8 und hat jetzt 21, die De-
mokraten 3 und haben jetzt 6, die Konservativen 1 und haben 2,
die Sozialdemokraten gewinnen zum erstenmal 2 Sitze.
4. Oktober. (Pforzheim.) Auf dem Parteitage der
Volkspartei stellt Sonnemann einen Antrag auf Abänderung
des Parteiprogramms, betr. Einführung eines Maximalarbeitstags
von 10 Stunden. Später zieht er diesen Antrag wieder zurück.
6. Oktober. Tod König Karls von Württemberg. Ihm
folgt sein Neffe Wilhelm II.
Telegramm des Kaisers an den König Wilhelm:
„Tief erschüttert durch die Todesnachricht beeile Ich Mich, Dir,
Deiner Gemahlin und Deinem gesamten Volke Meine aufrichtigste Teilnahme
auszudrücken. Einer der Mitstifter des Deutschen Reiches und Mitgenosse
Meines teuren Großvaters ist dahin. Ich komme persönlich, Meinen Anteil
an der Trauer Württembergs zu bethätigen. Mögest Du in Deinem neuen
Amt mit Gottes Beistand für Dein Volk und Unser deutsches Vaterland
ein Segen sein. Meiner wärmsten Freundschaft und innigsten Zuneigung
bist Du alle Zeit sicher. Wilhelm.“
Die Antwort des Königs lautet:
„Die Worte, welche Du an Mich gerichtet hast, haben Meinem schwer
gebeugten Herzen unendlich wohlgethan. Ich bin Mir der großen Verant-
wortung, welche Gott Mir auferlegt hat, bewußt und hoffe, Mein Amt mit
seiner Hilfe zum Wohl des gemeinsamen deutschen Vaterlandes wie Meines
Landes auszufüllen. Ich fühle Mich gestärkt durch die wohlwollenden Ge-
sinnungen, welche Du Mir wie immer so auch jetzt kund gibst. Aus
tiefster Ueberzeugung stehe Ich, wie seit Jahren als Glied der preußischen
Armee zu dieser, jetzt als deutscher Regent fest und treu zu Kaiser und Reich.
Wilhelm.“
6. Oktober. (Stuttgart.) König Wilhelm II. erläßt ein
Manifest:
„Wilhelm von Gottes Gnaden König von Württemberg!
Liebe Getreue!
Die göttliche Vorsehung hat den allerdurchlauchtigsten König Karl
von Württemberg, Unseres vielgeliebten Herrn Oheims Majestät, aus diesem
Leben abgerufen. Nachdem hiedurch kraft des in Unserem Königlichen Hause
bestehenden Erbfolgerechts Uns die Nachfolge in der Regierung angefallen
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