130 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 2.—5.)
rungen, dem Monarchen nicht gestatteten, länger im Auslande zu verweilen.
Der Umstand, daß sich der Präsident des rumänischen Staatsministeriums,
Floresco, nicht im Gefolge seines Monarchen befand, läßt wohl annehmen,
daß der politische Erfolg des Besuches in Berlin, wenn ein solcher über-
haupt ins Auge gefaßt worden war, nicht über den Besuch König Karols
bei dem Reichskanzler General v. Caprivi hinauskam. Diese Annahme ge-
winnt an Wahrscheinlichkeit, wenn man in Erwägung zieht, daß ein Beitritt
Rumäniens zum Dreibunde nur unter der Bedingung einer Garantie des
Besitzstandes des Königreiches Rumänien vonseiten Deutschlands. und Oester-
reich-Ungarns von Bedeutung sein könnte, daß aber, abgesehen davon, daß
der Dreibund bereits festgelegt und gefügt ist, solche Garantieen nur dann
Sinn und Wert haben, wenn der Staat, für den die genannten Mächte
Garanten werden sollen, ein Aequivalent an Macht und Bedeutung zu bieten
hätte, was bei Rumänien in Bezug auf Deutschland und Oesterreich nicht
zutreffen möchte."“
2. November. (Posen.) Ein Extrablatt des Dziennik Poz-
nanski meldet die Ernennung des Prälaten Dr. Florian v. Stab-
lewski zu Wreschen zum Erzbischof von Posen und Gnesen.
Auf einem Katholikentag in Thorn hatte Stablewski eine
Rede gehalten, an die jetzt offiziös erinnert wurde:
„Den Thron hat ein Monarch bestiegen, der es bewiesen hat, daß er
auf der Höhe seiner Aufgabe und seiner Zeit steht. Er hat den Kampf
gegen die zersetzenden Faktoren der Neuzeit aufgenommen, während andrer-
seits politisch im Osten auch eine große Gefahr zu beschwören ist: Rußland
mit seiner fremdartigen Kultur, mit seinem offiziellen religiösen Fanatis-
mus, mit seinem Rassenhaß und seinem Bestreben, eine universal-slawische
Monarchie zu gründen oder wenigstens eine drückende Hegemonie aufzurichten.
Auf welche Seite wir uns nun stellen sollen, darauf antwortet unfre Ge-
schichte, unsre Erziehung, unsre Kultur. Wir sind die Söhne eines Volkes,
das seine Zugehörigkeit zum Westen nie verleugnet hat, wir sind Söhne der
katholischen Kirche, deren erbittertster Feind Rußland ist. Wir haben den
Kulturkampf und die antipolnischen Gesetze überstanden, wir haben allen
Lockungen der Anarchie widerstanden, die an uns auch herangetreten sind.
und es ist nach den heutigen Verhandlungen an der Zeit, auszusprechen, daß
wir unter allen Umständen für die staatliche und die getellschaftliche Ord-
nung einzustehen fest entschlossen sind, wobei wir aber unzweideutig erklären,
daß wir um keinen Preis der Welt unfre nationale Eigenart aufgeben
werden, und stets das erkämpfen werden, daß es uns erlaubt wird, als Polen
innerhalb der preußischen Monarchie zu leben. Der hohe Sinn unfres
Monarchen macht es uns zur Pflicht, daß wir alle seine so groß und weit
angelegten Pläne nach unsern Kräften unterstützen und fördern.“
5. November. (Stuttgart.) Ministerpräsident v. Mitt-
nacht schließt den Landtag mit folgender Rede:
„Hohe Versammlung!" Seine Königliche Majestät haben mir den
ehrenvollen Auftrag zu erteilen geruht, in Allerhöchstihrem Namen den gegen-
wärtigen Landtag zu schließen. Mit Befriedigung dürfen Sie auf das Er-
gebnie Ihrer Arbeiten in der abgelaufenen Periode zurückblicken. Bei der
Feststellung der Voranschläge für den Staatshaushalt der Jahre 1889 bis
1893, welche vor allem Ihre Thätigkeit in Anspruch nahm, war es — dank
der günstigen Finanzlage — ermoglicht, neben voller Berücksichtigung der
Bedürfnisse des laufenden Dienstes die direkten Steuern zu ermäßigen und