Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (November 13.) 137 
ungünstigen Zustande des Landes im allgemeinen nicht die Rede sein. Auch 
die erheblichen Beschädigungen, welche ein Teil des Landes zu Meiner großen 
Betrübnis im vergangenen Jahre durch Ueberschwemmung erlitten hat, haben 
zu Meiner lebhaften Befriedigung unter wirksamer Teilnahme opferbereiter 
Wohlthätigkeit im wesentlichen ausgeglichen werden können. Das stetige 
Wachstum der Industrie in den letzten zwei Jahrzehnten hat allerdings im 
laufenden Jahre einen Stillstand erfahren. Erfreulicherweise haben sich aber 
die an diesen Geschäftsrückgang geknüpften Befürchtungen nicht erfüllt; in 
größerem Umfange haben ebensowenig Ablohnungen als Verminderungen der 
Lohnsätze stattgefunden, wiewohl mannigfache Beschränkungen der Arbeitszeit 
sowohl die Lohnhöhe der Arbeitnehmer, als die Erträgnisse der Arbeitgeber 
ungünstig beeinflußten. Der bevorstehende Abschluß einiger wichtigen Han- 
delsverträge gibt der Hoffnung Naum, daß ein erweiterter Absatz neue Ar- 
beitsgelegenheit schaffen, und die längere Vertragsdauer dem Fabrikations- 
und Handelsgeschäft eine größere Stetigkeit verleihen werde. Auch wird 
durch das Vertrauen auf die Erhaltung des Friedens die Zuversicht in die 
Erwartung weiterer fruchtbarer Erfolge befestigt. 
Es wird Ihnen einer bei dem letzten Landtage gegebenen Anregung 
zufolge, ein auf die Abänderung der Gesindeordnung bezüglicher Gesetzentwurf 
unterbreitet werden, in welchem neben einer durchgehenden redaktionellen 
Aenderung in der Hauptsache darauf Bedacht genommen worden ist, die mit 
der neuen Gesetzgebung nicht allenthalben mehr in Einklang stehenden Be- 
stimmungen entsprechend abzuändern. Weiter werden Ihnen mit Rücksicht 
auf die hervorgetretene Notwendigkeit zur Aenderung des Vertretungsver- 
hältnisses der Stadt Leipzig in der 2. Kammer der Ständeversammlung be- 
zügliche Gesetzentwürfe zugehen. Hiernächst werden ein Gesetzentwurf, be- 
treffend einige Abänderungen des Gesetzes über die Landes-Immobiliar-Brand- 
versicherungsanstalt und ein Gesetzentwurf über Regelung der Zusammen- 
setzung der Bergschiedsgerichte im Einklange mit dem Reichsgesetze, die Ge- 
werbegerichte betreffend, zu Gegenständen Ihrer Beratungen gemacht werden. 
Die Finanzverhältnisse des Landes sind fortdauernd in günstiger Entwicke- 
lung begriffen und gestatten auch ferner die Verwendung reichlicher Mittel 
zur Befriedigung vorhandener Bedürfnisse. Ohne Beschränkung der not- 
wendigen und nützlichen Ausgaben für die verschiedenen Gebiete der Staats- 
verwaltung, sowie der Aufwendungen zur Förderung der Wohlfahrt und 
des Gedeihens des Landes ist die Möglichkeit geboten, die in der laufenden 
Finanzperiode zum erstenmale den Schulgemeinden gewährten Beihilfen zur 
Bestreitung der Lehrergehälter dauernd auf die Staatskasse zu übernehmen. 
Ein Gesetzentwurf hierüber wird Ihnen durch Meine Regierung vorgelegt 
werden. Auch hat sich die Möglichkeit ergeben, nicht nur den Schulgemeinden 
wieder einen Teil der Einnahme der Grundsteuer zu überweisen, sondern 
auch die bereits vor zwei Jahren als notwendig erkannte Aufbesserung der 
Beamtengehälter zur Ausführung zu bringen. Hat dabei das Bedürfnis 
einer durchgreifenden Aufbesserung sich allgemein fühlbar gemacht, so erfordert 
doch hinsichtlich des Maßes der Erhöhung die Lage der niederen Beamten 
im ganzen eine weitergehende Berücksichtigung als diejenige der höheren. Im 
Laufe der Jahre sind unter dem Zusammenwirken verschiedener Umstände in 
den Besoldungsverhältnissen der Beamten manche Ungleichheiten entstanden, 
Zu deren Beseitigung bietet die Erhöhung der Gehälter zugleich erwünschte 
Gelegenheit. Meine Regierung hat daher die Besoldungsverhältnisse der 
Beamten einer neuen und umfassenden Regelung unterzogen und wird solche 
in dem Staatshaushaltsetat Ihrer Beschlußfassung unterbreiten. Bei dem 
hohen Interesse, welches sich für das gesamte Staatsleben an die unver- 
änderte Erhaltung eines tüchtigen und berufstreuen Beamtenstandes knüpft,
	        
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