Bie Gesterreichisch-Augarische Monarchie. (Januar 22.—23.) 185
Unternehmen dem ganzen Lande ohne Unterschied der Nationalität gewidmet
erscheint und sich des Protektorats des Kaisers erfreut. Das feindselige
Auftreten der Deutschen während der letzten Volkszählung in den gemischt
sprachlichen Bezirken lasse einen weiteren Schluß auf die wenig friedliche
Gefinnung der Deutschen zu. Der Schluß der Erklärung lautet: „Alle unter-
zeichneten Abgeordneten erkennen an, daß die Reform der Wahlordnung,
welche in den Wiener Vereinbarungen garantiert ist und von welcher die
Regierung mit der größten Bestimmtheit erklärt hatte, daß sie den betreffen-
den Gesetzentwurf ehestens vorlegen werde, in dringendem und innerem Zu-
sammenhang stehe mit dem Gesetze über die Errichtung der nationalen Kurien
und mit dem Gesetze, betreffend die Teilung des Wahlkörpers der Besitzenden
des nicht fideikommissarischen Großgrundbesitzes in mehrere Wahlgruppen,
und daß die Reform der Wahlordnung früher bekannt sein müsse. damit es
klar werde, daß die in der bisherigen Wahlordnung enthaltenen Ungerechtig-
keiten gegenüber dem böhmischen Volke gutgemacht wurden. Deshalb er-
klären wir, daß unser Bestreben dahin gehen wird, daß dieser unserer Ueber-
zeugung von dem dringenden Zusammenhang der oben erwähnten drei Ge-
setze, welche alle zur Verwirklichung der sogenannten qualifizierten Majorität
bedürfen, zum Durchbruche geholfen werde, und daß wir seinerzeit bei der
Landtagsverhandlung Anträge stellen und unterstützen werden, dahin gehend,
daß alle drei obengenannten Gesetze gleichzeitig und zugleich ins Leben
treten."“
Der Abg. v. Plener wies die Verdächtigungen gegen die Deutschen
zurück und charakterisierte die Erklärung der Altczechen als einen Worrbruch.
Welchen Wert könne die Regierung auf so unzuverlässige Verbündete legen?
Die Zerstörung des Ausgleichs sei nicht das Werk der Jungczechen, sondern
die Folge des Abfalls der Alteczechen. Die Deutschböhmen würden niemals
die böhmische, sondern die österreichische Staatsbürgerschaft in die erste Linie
stellen, die deutsche Sprache müsse die erste Sprache des Staats sein. Auf
der Grundlage des böhmischen Staatsrechts sei der Friede unmöglich. Trotz
des von den Deutschen bewiesenen Entgegenkommens sehe man jetzt nicht die
Zeichen des Friedens, sondern diejenigen des Kampfes, heraufbeschworen
durch die Czechen.
22. Januar. (Innsbruck: Landtag.) Dordi beantragt
die dringliche Behandlung der Komiteeanträge betreffs der Auto-
nomie Süd-Tirols noch vor den Gegenständen der Tagesord-
nung. Das Haus spricht sich mit großer Majorität für die Dring-
lichkeit aus, worauf der Statthalter im Namen des Kaisers den
Landtag für geschlossen erklärt und den Landeshauptmann um so-
fortige Invollzugsetzung ersucht. Die Sitzung wird sodann mit
einem dreimaligen Hoch auf den Kaiser geschlossen.
23. Januar. Kardinal Simor #.6
23. Januar. (Wien.) Das Haus der Abgeordneten des
Reichsrats wird aufgelöst. In ihrem nichtamtlichen Teil bemerkt
die „Wiener Zeitung“ dazu:
„Die Kürze der bis zum gesetzlichen Ende der Legislaturperiode noch
erübrigenden Frist, vielfach innerhalb der Parteien sich vollziehende Ver-
änderungen, die hiedurch bedingten schwierigen und zweifelhaften Majoritäts-
verhältnisse, sowie die Rücksichten auf die Aufgaben der Zukunft ließen er-