Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

Bie Gesterreichisch-Augsarische Monarchie. (April 11.) 191 
der direkten Besteuerung wieder in Angriff genommen und auf diesem Wege 
dem allgemeinen Wunsche nach einer möglichst gerechten Verteilung der Lasten 
entsprochen werden kann. 
Besondere Sorgfalt werden Sie, geehrte Herren, der Pflege des Ver- 
kehrswesens zuzuwenden haben. Sowohl das Lloydunternehmen als auch die 
Donaudampfschiffahrtsgesellschaft werden Ihre Aufmerksamkeit und Fürsorge 
in Anspruch nehmen. Die bezüglich mehrerer Privatbahnen nähergerückten 
Termine der Einlösbarkeit durch den Staat werden Meine Regierung ver- 
anlassen, den successiven Fortgang der Eisenbahnverstaatlichung in eingehende 
Erwägung zu ziehen und Ihnen nach reiflicher Prüfung jedes einzelnen 
Falles in verkehrspolitischer und finanzieller Hinsicht die geeigneten Anträge 
zu stellen; auch über die fernere Beteiligung des Staates an der Ergänzung 
des Bahnnetzes und behufs Förderung des Baues von Lokalbahnen werden 
Ihnen entsprechende Vorlagen zugehen, endlich wird das zu Bern unter- 
zeichnete Uebereinkommen über internationalen Eisenbahnfrachtverkehr, welches 
auch auf die Gestaltung des internen Betriebsreglements von weittragendem 
Einflusse sein wird, Ihnen zur verfassungsmäßigen Behandlung vorgelegt 
werden. Der hohen Bedeutung bewußt, welche die Eisenbahntarife für die 
gesamte landwirtschaftliche und gewerbliche Produktion gleichwie für den 
Handel besitzen, steht Meine Regierung im Begriff, der Reform des Personen- 
tarifs eine solche des Gütertarifes auf den Staatsbahnen nachfolgen zu lassen, 
welche den Bedürfnissen der Bevölkerung in weitgehendem Maße entgegen- 
kommen und auch auf die Privatbahnen nicht ohne Einfluß bleiben wird. 
Meine Regierung ist angelegentlich bemüht, die handelspolitischen 
Beziehungen zu den auswärtigen Staaten, sofern es als notwendig oder 
wünschenswert erscheint, einer neuerlichen Regelung zuzuführen. Es wird 
dabei angestrebt, daß diese Vereinbarungen möglichst gleichzeitig und für 
längere Zeit erfolgen. Auf diese Weise sollen stabile Verhältnisse geschaffen 
werden, unter deren Herrschaft Industrie und Landwirtschaft gedeihliche 
Existenzbedingungen finden. Unausgesetzte Fürsorge wird Meine Regierung 
dem öffentlichen Unterrichte auf allen seinen Gebieten zuwenden; insbesondere 
sind es die rechts= und staatswissenschaftlichen Studien, deren Reform sich 
als notwendig erwiesen hat; ebenso bedürfen die Bestimmungen über die 
medizinischen Studien der Abänderung. Die Universität Lemberg soll durch 
Aktivierung einer medizinischen Fakultät eine entsprechende Ausgestaltung 
erfahren; Meine Regierung wird es sich angelegen sein lassen, die zu diesem 
Zweck notwendigen Verhandlungen möglichst bald zum Abschlusse zu bringen. 
In der Justizgesetzgebung sind nicht bloß die Kodifikationen auf dem Gebiete 
des materiellen Strafrechtes und des Verfahrens vor den Civilgerichten neuer- 
lich in Angriff zu nehmen, auch im Strafprozeßrechte läßt die Erfahrung 
manche Aenderung als wünschenswert erscheinen, und neben diesen großen 
Gesetzgebungsarbeiten kommt noch in Betracht, daß vornehmlich die Justiz- 
gesetzgebung sich gegenüber den Erfordernissen des wirtschaftlichen Lebens 
nicht abschließen kann, daß sie einerseits Hindernisse einer wohlthätigen Ent- 
wicklung zu beseitigen, andrerseits aber auch schädlichen Ausschreitungen des 
Eigennutzes mit Ernst und Strenge entgegenzutreten hat. Die Vereinigung 
Meiner Haupt= und Residenzstadt Wien mit den Vororten hat Mich mit 
lebhafter Befriedigung erfüllt, und Ich erhoffe von derselben wesentliche 
Vorteile für alle Teile des vergrößerten Wien; die Arbeiten zur Durch- 
führung dieser Vereinigung sind in vollem Zuge. Auch Ihre Mitwirkung 
wird betreffs mehrerer hieher gehöriger Gesetzentwürfe in Anspruch genommen 
werden. Der Frage der Wiener Stadtbahn wird die eingehendste Aufmerk- 
samkeit zugewendet und ihre Verwirklichung bildet den Gegenstand besonderer 
Fürsorge Meiner Regierung.
	        
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