210 Die Oesterreithisch-Angarische Menarchie. (November 14.)
es werde sich dies nicht ändern, wer immer in Rumänien ans Ruder ge-
langen möge. Eine wertvolle Garantie finden wir aber in König Karl,
dessen weiser Leitung seit einem Vierteljahrhundert das größte Verdienst um
die staatliche, militärische und materielle Entwicklung des jungen Staats-
wesens gebührt. Wir hegen nicht den geringsten Zweifel, daß die auswär-
tige Politik Rumäniens auch künftighin die bisherige Richtung einhalten
wird. Es ist dies um so leichter für Rumänien, als es mit uns die gleichen
Interessen und Ziele, als es eine konservative, auf Erhaltung des Friedens
sowie des rechtlichen Zustandes auf der Balkanhalbinsel basierte Politik
verfolgt.
Was Serbien betrifft, so lasse sich nicht leugnen, daß seit der Ab-
dankung des Königs Milan in Serbien sich eine für uns nicht freundliche
Stimmung bemerkbar machte, obwohl, wie schon der Referent hervorhob,
unfrerseits alles Entgegenkommen bewiesen wird, um gute Beziehungen zwi-
schen unfrer Monarchie und dem kleinen Nachbarstaate zu erhalten. Wir
wissen es und würdigen es, daß in diesem jungen Staatswesen die Partei-
verhältnisse noch sehr verworren sind und daß der dortigen Regierung oft
nicht geringe Schwierigkeiten entgegentreten. Dessenungeachtet könne der
Minister in unseren Beziehungen zu Serbien eine Besserung konstatieren. Er
habe aber mehrfach den Eindruck gewonnen, daß es bei manchen Vorkomm-
nissen weniger an gutem Willen seitens der serbischen Regierung fehle, daß
jedoch die dortige Bevölkerung sich immer mehr in eine Richtung hinein-
führen lasse, welche gegen ihr eigenes Interesse gerichtet sei und sie bei wei-
terem Verharren auf dieser Bahn endlich auch mit den Verträgen in Kon-
flikt bringen müsse. Der Minister fühlt sich nicht berufen, dem serbischen
Volke Ratschläge zu erteilen; er glaube jedoch die Meinung aussprechen zu
dürfen, daß es gut wäre, wenn man sich dort mehr der Pflege der inneren
administrativen und materiellen Aufgaben zuwende, dafür aber weniger große
Politik machen wollte.
In dieser Beziehung bilde Bulgarien einen unverkennbaren Gegensatz
zu Serbien. In Buclgarien befasse man sich ernst und eifrig mit den in-
neren Angelegenheiten, arbeite mit Fleiß und Ausdauer an der Hebung des
materiellen Wohlstandes, des Handels und Verkehrs, an der Vermehrung
der Schulen u. s. w. Was die vom Referenten berührte Anerkennungsfrage
betrifft, so bedauert der Minister, sagen zu müssen, daß diese heute noch ge-
rade so stehe, wie als er zum letztenmale vor der Delegation zu sprechen
Gelegenheit hatte. Die zunhum erpen dieser Anerkennung hat bei den ihr
widerstrebenden Kabinetten seither keine Fortschritte gemacht, und unfre
Monarchie könnte sich nicht veranlaßt fühlen, eine sehr heikle Frage anzu-
regen, bezüglich deren ein Mißerfolg vorausgusehen ist und die sich in ihrer
weiteren Entwicklung leicht zu einer gefährlichen gestalten könnte. Für die
Bulgaren mag diese Situation immerhin peinlich sein, da sie durch den
Ausschluß einer legitimen Regelung ihrer staatsrechtlichen Verhältnisse das
Gefühl haben, gleichsam in eine minderwertige Klasse zurückgedrängt zu sein.
Wenn dieser Zustand allzu lange dauert, könnte er allerdings auch bedenk-
lich werden. Im allgemeinen sei die Stellung Bulgariens eine so gute, daß
das Land selbst durch die mangelnde Anerkennung keine wesentlichen Nach-
teile erfährt, und wer den Bulgaren wohl will, könne ihnen nur den Rat
erteilen, auch fernerhin in möglichst korrekten Beziehungen mit der Pforte
zu verbleiben, sich jeder abenteuerlichen Aktion zu enthalten und unter steter
Sorgfalt für die Entwicklung ihrer Ressourcen in Geduld die weiteren Dinge
abzuwarten. Man ist in Bulgarien bisher klug genug gewesen, sich inner-
halb dieses Rahmens zu bewegen, und man wird sich hoffentlich auch in
der Zukunft nicht aus demselben herausdrängen lassen.