Frankreich. (Oktober 7.—November 9.) 241
für sich nicht gewünscht, als diesen demokratischen Staat mit einem starken
Heer zu sehen, welcher in Ordnung, Freiheit und Frieden sich entwickele
diese Republik, deren Dauer, Weisheit und Kraft Europa Gefühle der Herz-
lichkeit und Achtung einflößten. Unter dem Rufe: „Es lebe die Repubik,
es lebe Frankreich, es lebe Italien!“ schließt die Feier.
7. Oktober. (Paris.) Aus Marokko treffen sehr beunruhi-
gende Nachrichten ein, welche die Niedermetzelung der im französi-
schen Solde stehenden Marokkaner durch ihre eigenen Stammes-
genossen melden.
8. Oktober. (Marseille.) Bei einem von der Munizipa-
lität zu Ehren der Minister veranstalteten Bankett hält der Kon-
seilpräsident Freycinet eine Rede, in welcher er hervorhebt, daß die
Republik nunmehr auf unerschütterlichen Grundlagen ruhe und
dank der Armee sowie der Weisheit der Diplomatie zu einem Faktor
des europäischen Gleichgewichts geworden sei. Es gelte jetzt, die
nach außen gewonnene Situation zu konsolidieren und im Innern
an die Lösung der sozialen Probleme heranzutreten. Die Verbesse-
rung der Lage der unteren Klassen müsse die Aufgabe sein, welche
die Republik beherrsche; die Regierung arbeite unablässig daran.
Der Minister weist auf die spontane Bewegung hin, welche gegen-
wärtig alle Franzosen ergriffen habe und zur Republik hinziehe;
die neu zu derselben Hinzutretenden seien willkommen, würden es
aber natürlich und begreiflich finden, wenn die Regierung fortfahre,
die Freiheit und die Reformen zu verteidigen, für welche sie ge-
kämpft habe.
20. Oktober. Der Erzbischof von Aix Gouthe-Soulard
erklärt in einem Schreiben an den Kultusminister Fallières, daß
er dessen am 4. Oktober an die Prälaten erlassenes Zirkular über
die Pilgerfahrten nach Rom nicht beachten werde.
In dem Brief wird das Rundschreiben des Kultusministers ein
„trauriger und abscheulicher Widersinn“ genannt; der Schlußsatz lautet:
„Der Frieden ist bisweilen auf Ihren Lippen, aber stets ergibt sich Haß
und Verfolgung aus Ihren Thaten.“
31. Oktober. (Paris.) Justizminister Fallieres bringt in
der Kammer einen Gesetzentwurf ein, betreffend die Unterdrückung
des Zuhältertums und Kupplerwesens.
8. November. (Lille.) Bei der Stichwahl zur Deputierten-
kammer siegt der in Haft befindliche Sozialist Lafargue mit 6470
Stimmen über den Republikaner Depasse, welcher 5175 St. erhält.
9. November. Die Kammer nimmt den Antrag an, den zum
Abgeordneten gewählten Lafargue freizulassen.
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXII. 16