Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

Stalien. (Februar 9.—14.) 247 
erboste, daß dieselbe sich wütend erhob und in der heftigsten Weise gegen 
den Ministerpräsidenten Crispi remonstrierte. 
Der Führer der Rechten, Marquis Rudini, erhob sich wie ein ver- 
wundeter Löwe, und nachdem er Herrn Crispi in der heftigsten Weise apo- 
strophiert hatte, erklärte er, daß er trotz seines festen Willens, für das Gesetz 
zu stimmen, nun nach der seiner Partei angethanen Beleidigung gegen das- 
selbe stimmen werde. Ein Kollege Crispis, der Minister für öffentliche 
Bauten, Finali, ein ehemaliges Mitglied des letzten Kabinetts der Rechten, 
erhob sich unter dem wütenden Beifall der Rechten von seinem Minister- 
fauteuil und verließ den Saal; der Berichterstatter, ebenfalls ein ehemaliges 
Mitglied des letzten Kabinetts Minghetti, welcher wenige Minuten früher 
das Gesetz in so glänzender Weise verteidigt hatte, erhob sich, und nachdem 
er hierbei, in seiner Aufregung auf den Tisch schlagend, ein Tintenfaß um- 
gestürzt hatte, erklärte er, daß er nach der seiner Partei zugefügten Belei- 
digung nicht mehr mit der Regierung gehen und daher, obwohl er das vor- 
liegende Gesetz billige, nun gegen dasselbe stimmen werde; die ganze Rechte 
erhob sich heulend, um gegen Crispi zu protestieren, und es entstand ein 
Aufruhr, wie man ihn früher in der italienischen Kammer nie erlebt hatte. 
Hätte der Kammerpräsident angesichts der ungeheueren Aufregung die Sitzung 
aufgehoben, so hätte vielleicht die Nacht Rat und Ruhe gebracht, und wäre 
ein Mittel gefunden worden, den ausgebrochenen Konflikt durch einige gegen- 
seitige ruhige Erklärungen beizulegen; aber zum Unglück gelang es dem 
Kammerpräsidenten, die Ordnung auf einen Augenblick lang soweit herzu- 
stellen, daß zur Abstimmung geschritten werden konnte, welche angesichts der 
größten Aufregung vorgenommen wurde. Das Resultat war vorauszusehen 
— denn die Regierung wurde mit bedeutender Majorität geschlagen —, 
worauf der Ministerpräsident, die Demission des Kabinetts notifizierend, die 
Kammer bat, ihre Sitzungen einstweilen einzustellen, da er die Befehle 
Sr. Majestät einholen müsse; und so befinden wir uns denn angesichts einer 
Krise, die niemand vorhersehen konnte und die noch vor einigen Stunden 
niemand für möglich gehalten hätte. 
9. Februar. (Rom.) Der König empfängt Rudini, welcher 
die neue Ministerliste vorlegt; der König bestätigt die Liste. 
Nach derselben ist das Kabinett wie folgt zusammengesetzt: Rudini 
Präsidium und Auswärtiges und interimistisch Marine, Nicotera 
Inneres, Luzzatti Schatz, Colombo Finanzen, Pelloux Krieg, Fer- 
rari Justiz, Branca Arbeiten und interimistisch Post und Tele- 
graphen, Chimirri Ackerbau, Villari Unterricht. Zum Unterstaats- 
sekretär des Auswärtigen ist d'Arco, zum Unterstaatssekretär des 
Innern Lucca ernannt. 
10. Februar. Rudini richtet ein Rundschreiben an die 
auswärtigen Vertreter Italiens, in welchem er die bisherige Politik 
Italiens fortsetzen zu wollen erklärt. 
14. Februar. Das Ministerium Rudini stellt sich der Kam- 
mer vor. Crispi hat seinen Sitz als Abgeordneter auf der äußersten 
Linken eingenommen. Die Haltung der Deputierten ist kühl. Ru- 
dini verliest folgende Erklärung:
	        
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