Kebersicht der politischen Entwichelung des Jahres 1891. 325
gütlich zur Abreise zu bewegen, erschöpft waren, brachte man sie
endlich mit Gewalt über die Grenze. König Milan, Königin Na-
talie und der ehemalige Minister Garaschanin beschuldigten sich in
Schreiben, die der Oeffentlichkeit übergeben wurden (vgl. Staats-
archiv Bd. 53), der unglaublichsten Verbrechen und Schandthaten.
In Amerika hat die Idee des Pänamerikanismus, die an-Amerika.
fänglich in Europa ziemlich skeptisch aufgenommen wurde, wesent-
liche Fortschritte gemacht. Präsident Harrison hat in mehreren
Ansprachen und Botschaften den Plan, ganz Amerika wirtschaftlich
den Vereinigten Staaten anzuschließen und von dem europäischen
Markt zu trennen, sehr energisch vertreten. Ein Vertrag mit Bra-
silien hat den Anfang der Ausführung gemacht. In Brasilien
ist der General Fonseca, der seinerzeit den Kaiser Dom Pedro ge-
stürzt hatte, nun auch wieder beseitigt. Chile, das von allen
romanisch-amerikanischen Staaten bisher die größte Tüchtigkeit ge-
zeigt hatte, und allein von Bürgerkriegen verschont geblieben war,
hat nunmehr auch durch eine solche Krisis hindurchgehen müssen.
Der Präsident Balmaceda geriet in Konflikt mit den aristokrati-
schen Elementen, welche im Kongreß wesentlich herrschen. Es kam
zu einem Bürgerkrieg, der fast ein Jahr lang währte, endlich aber
mit der vollständigen Niederlage und dem Selbstmord Balmacedas
endigte. (Vgl. die Darstellung dieser Ereignisse von Professor
v. Lilienthal in den Preuß. Jahrbüchern Bd. 69.)
Die Vorstellung von dem Segen parlamentarisch-europäischer Japan.
Institutionen hat auch in Japan im Jahre 1890 zur Schaffung
einer Volksvertretung, d. h. einer Vertretung der höheren besitzenden
Klassen geführt. Trotz aller Vorsichtsmaßregeln aber, mit denen
(ogl. vorigen Jahrg.) dies Institut umgeben worden ist, ist der
von jeder solchen Verfassung untrennbare Machtstreit auf der Stelle
ausgebrochen, und Ende Juni 1891 war die Regierung gezwungen,
das Volkshaus aufzulösen.