38 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 13.—15.)
sind. In allen diesen Dingen tritt eine bestimmte Tendenz, die auf die Er-
zeugung einer Stimmung des Unbehagens hinarbeitet, die insbesondere auch
unter den Konservativen immer aufs neue Mißtrauen wachzurufen sucht, die,
mit einem Worte, aufwühlen will, unzweideutig zu Tage.“
In der Polemik gegen diesen Artikel sagt die „Kreuzzeitung“:
„Das „Deutsche Tageblatt“ kommt jetzt freilich mit Andeutungen
heraus, die auf einen gewissen Rückhalt schließen lassen sollen, indem es die
Herren v. Helldorf und Freiherr v. Manteuffel als seine Hintermänner
namhaft macht. Ob letzterer damit einverstanden ist, bezweifeln wir noch
sehr; Herrn v. Helldorf aber überlassen wir dem „Deutschen Tageblatt“ gern.
Wir haben seine Politik niemals für eine weitsichtige, der konservativen
Sache ersprießliche gehalten, sind vielmehr stets der Ansicht gewesen, daß
insbesondere die Art, wie er die Presse seit Jahren beeinflußt, schließlich
zur Sprengung der konservativen Partei führen muß, und daraus haben
wir kein Hehl gemacht.“
Als Antwort hierauf bringt die „Konservative Korrespondenz“"
folgende parteioffizielle Erklärung (vgl. 21. Febr.):
„Die Fraktion der Deutsch-Konservativen des Reichstages hat mit
Bedauern von dem persönlichen Angriffe Kenntnis genommen, welcher in
Nr. 77 der „Kreuzzeitung“ gegen die Mitglieder des Vorstandes der Fraktion,
Freiherrn v. Manteuffel und Herrn v. Helldorff, gerichtet worden ist. Die
Fraktion spricht ihr volles Vertrauen zu den genannten Herren aus."“
13. Februar. Auf einem parlamentarischen Diner beim Reichs-
kanzler macht der Kaiser in einem Gespräch mit dem Reichstags-
abgeordneten Grafen Konrad Preysing Aeußerungen über die
Stimmung Süddeutschlands dem Reiche gegenüber, er betont das
Heranwachsen eines neuen Geschlechts und sagt von sich selbst:
„Ich habe nicht die Empfindung von 1866, sondern die von 1870.“
Auf die Parteiverhältnisse eingehend, bemerkt der Kaiser, für ihn gebe es
nur zwei Parteien: die staatserhaltende und die derselben entgegengesetzte.
Ferner äußert der Kaiser seine Befriedigung über die Wirkung der Auf-
hebung des Sozialistengesetzes und fügte hinzu, die Sozialdemokratie habe
freie Bewegung im Rahmen der Gesetzlichkeit; darüber hinaus werde sie die
schärfste Zurückweisung erfahren.
14. Februar. Freiherr v. Soden wird zum Gouverneur
des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes ernannt. Wißmann,
Peters und Emin werden ihm bald darauf als „Reichskommissare
zur Verfügung des Gouverneurs“ beigegeben.
15. Februar. In Bochum tagt eine Delegiertenversammlung
der deutschen Bergarbeiter, vom Einberufer Bringewald-Wat-
tenscheid geleitet. Auswärtige Delegierte sind anwesend aus Sachsen
(Otto-Teuchern), Saarbrücken (Moor), Wurmrevier (Otten), Schle-
sien (Reichelt-Altwasser).
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Euhung der Forderungen
der Bergleute. Bringewald bemerkt einleitend, daß der Aufruf zu der Ver-
sammlung von den Zeitungen aller Parteischattierungen, aber nicht von der