166 Has Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 14.)
und aus den Weisesten der Nation zusammengesetzt sein muß. Daß ich die
Ehre habe, die Besten vor mir zu sehen, kann keinem Zweifel unterliegen;
ob es aber auch überall die Weisesten sind, wird mir in dem Augenblick
zweifelhaft, wo man durch ein imperatives Mandat sich gegen Vorlagen
binden läßt, die man noch nicht kennt. Das würde eine Weisheit voraus-
setzen, die das gewöhnliche Maß überschreitet und eine Art von Vorsehung
wäre. Ich kann nicht annehmen, daß diese Inspirationsgabe weit verbreitet
sein soll. Wenn Sie nun solche Mandate annehmen, so schädigen Sie,
wiederhole ich, das Parlament. Das Ansehen des Deutschen Reichstags
cnuß nach meiner Ueberzeugung sinken, wenn seine Thätigkeit beeinflußt
wird durch Ordres, die er von den breiten Massen zu Hause bekommt;
dann ist der Reichstag nicht mehr eine Autorität für das Volk, — er wird
abhängig vom Volk. Und genau so geht es dem einzelnen Abgeordneten.
Ich bin der Meinung, daß der Abgeordnete die Pflicht hat, auf den Wahl-
kreis einzuwirken. Gewiß, er muß hören, was haben meine Wähler für
Interessen, welches ist ihre Stimmung? Er ist aber andererseits verpflichtet,
seine in dem Verkehr mit den Kollegen, durch die Verhandlungen des Reichs-
— durch seine tiefere Bildung gewonnene bessere Einsicht geltend zu
machen.
Wenn Herr v. Manteuffel sagt, die gestrige Sitzung wird dahin
führen, die agrarische Bewegung zu stärken, dann, meine Herren, bin ich
eben der Meinung, es ist die Pflicht der Abgeordneten, diese agrarische Be-
wegung einzuschränken, die nicht so gut belehrten Wähler über die Lage
der Sache aufzuklären. Aber das, was ich soeben hier aus den Zwischen-
rufen und Ihrem Gelächter heraus höre, das zeigt mir, daß Sie diesen
Standpunkt nicht teilen, und daraus folgere ich nun erst recht: das, was
Sie treiben, ist bedenklich, und Sie wollen dem gar nicht entgegentreten,
Sie wollen von der Masse geleitet sein, Sie sehen in der Masse eine Kraft,
die Sie vorwärts treibt!
Endlich hat der Freiherr v. Manteuffel die Währungsfrage berührt
und mir den Vorwurf gemacht, daß ich darauf nicht eingegangen bin. Meine
Herren, wenn das die letzte Patrone ist, die Sie gegen mich in dem Kampf
verschossen haben, dann, muß ich sagen, kann ich es noch mit ansehen.
Ich bin nun auch in dieser Währungsfrage die béte noire geworden.
Warum eigentlich? Was habe ich gethan? was habe ich verbrochen!? Wo
habe ich die Interessen Deutschlands geschädigt? Sie haben mir vorge-
worfen, daß zur Zeit der Brüsseler Konferenz ich nicht das gethan hätte,
was ich hätte thun müssen. Ich habe die Instruktion, die unsere Vertreter
in Brüssel bekommen haben, hier laut und deutlich vorgelesen und ich habe
nicht gesehen, daß gegen diese Instruktion irgend ein Angriff erfolgt wäre.
Sie konnte damals gar nicht anders sein; die Regierung sah voraus, daß
aus dieser Konferenz nichts herauskommen würde, — und warum wir uns
an einem Fiasko aktiv beteiligen sollten, das sehe ich noch heute nicht ein!
Ich habe sodann noch einmal — ich bin verlegen um den Ausdruck
— die Belehrung oder den Ratschlag, oder die Bitte — der Graf Mirbach
hat mir gesagt, daß meine Belehrungen mindestens überflüssig wären; also
ich bitte Sie selbst, für das, was ich jetzt sagen will, den mildesten Aus-
druck zu wählen —: ich habe mir damals erlaubt, die Meinung auszu-
sprechen, daß, den Bimetallismus agitatorisch zu betreiben, höchst bedenklich
ist. Und diese Meinung halte ich auch noch heute aufrecht, und ich kann
nur tief bedauern, wenn in der konservativen Partei diese Meinung nicht
geteilt wird. Denn die Ueberzeugung werden Sie mir nicht nehmen, daß
die Währungsfrage nicht geeignet ist, von Massen beurteilt zu werden,
namentlich wenn sie ihnen so vorgetragen wird, wie das vielfach in spezifisch