Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

40 Das Veutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 2.) 
toriale Ausdehnung des Rübenbaues, was ihm gerade so vorkomme, als 
wenn man die Bedeutung der Hansestädte nach der Größe ihres Gebiets 
bemessen wollte. (Sehr gut! rechts.) Die Reichs-Finanzverwaltung habe 
keinerlei fiskalische Absichten mit dieser Vorlage, keine Mehreinnahme sei 
zu erwarten. Seit dem Antrag Paasche sei allerdings der Preis des Zuckers 
gestiegen, aber man könne doch kein Gesetz auf Grund des jeweiligen Kurs- 
zettels machen. Diese Preiserhöhung sei als taktisches Mittel im Kampfe 
gegen die Zuckersteuer verwendet worden, jedoch wäre der Export Kubas an 
Zucker auch in diesem Jahre durchaus nicht so gering zu erachten, wie es 
Zeitungsnachrichten behaupten. Der Antrag Paasche sei jedenfalls aus der 
Erwägung hervorgegangen, daß eine Ueberproduktion besteht, und eine 
Hebung des Exports angestrebt werden mußte. Von gegnerischer Seite 
werde allerdings gesagt, man solle nur die Verbrauchsabgabe ermäßigen, 
dann würde der Konsum schon steigen. Das sei eine unrichtige Behauptung. 
Der Zuckerkonsum hänge nicht lediglich vom Preise ab, sondern von der 
allgemeinen Wohlhabenheit. Wir müßten uns unseren Platz in der Ver- 
sorgung des Weltmarktes mit Zucker sichern, was nur durch Erhöhung der 
Exportprämien möglich ist. Die niedrige Prämie des geltenden Zucker- 
steuergesetzes sei nur aus dem Wunsche hervorgegangen und unter der Vor- 
aussetzung entstanden, daß die anderen Staaten ihre Prämien ebenfalls 
herabsetzen würden. Das haben sie aber nicht gethan und deshalb müssen 
wir unsere Prämien wieder nach denen der Konkurrenzstaaten bemessen. 
Frankreich allein sei im stande, mit seiner reichen Ernte und seiner hohen 
Exportprämie unseren Zucker vom Weltmarkt zu verdrängen. Die franzö- 
sische Prämie betrage 8,28 „/X und die beabsichtigte deutsche von 4 /# nähere 
sich ihr also nur auf etwa die Hälfte. Außerdem müssen wir die Prämien 
erhöhen, um bei internationalen Verhandlungen ein Kompensationsobjekt 
zu haben. Aber mit erhöhten Prämien müsse man die Kontingentierung 
mit in den Kauf nehmen, sie sei sogar das notwendige Korrelat zu den 
Prämien. Die Kontingentierung dürfe nicht nach finanziellen Gesichts- 
punkten erfolgen, die viel zu unsicher seien, sondern lediglich nach wirt- 
schaftlichen, sie solle ein Mittel sein, die Produktion dem Absatz anzupassen. 
Man habe nun ein soziales Mietspferd vor den Streitwagen gespannt und 
behauptet, durch die Kontingentierung stoße man nur die kleinen Rüben- 
bauern zu gunsten der großen Aktienfabriken ab. Nichts sei unrichtiger 
als diese Behauptung. Der Rübenbau solle durch die Kontingentierung 
nicht beschränkt, sondern nur lohnend gemacht werden. Was die Betriebs- 
abgabe anbetreffe, so behaupte man, sie sei eine Steuer auf die Intelligenz. 
Wer das sage, müßte eigentlich die Materialsteuer befürworten. Man habe 
die Betriebsabgabe vorgeschlagen, um die kleineren und mittleren Fabriken 
zu erhalten. Gegen die Vorlage hätten allerdings auch die technischen Leiter 
einiger Zuckerfabriken Opposition gemacht, es sei aber klar, daß diese kein 
landwirtschaftliches Interesse an dem Rübenbau hätten, sondern nur an 
einer möglichst großen Produktion und einem möglichst ausgedehnten Be- 
triebe. Der Staat habe jedoch ein Interesse daran, auch die kleinen Fab- 
riken zu erhalten und die großen nicht allzu sehr anwachsen zu lassen. Es 
sei in der Presse vielfach davon die Rede gewesen, daß die süddeutschen 
Staaten sich prinzipiell gegen die Vorlage erklärt hätten, das sei ein Irr- 
tum. Die süddeutschen Regierungen seien sämtlich für eine mäßige Er- 
höhung der Prämien und ein Teil von ihnen bringe dem Gesetzentwurf 
an sich Sympathien entgegen. — Abg. Richter (frf. Vp.): Die Vorlage 
bedeute eine dauernde schwere Belastung des Konsums, 55 Mill. Mk. müsse 
das Volk mehr aufbringen. Die Vorlage habe wenig Freunde, hätten doch 
auch 21 Bundesratsmitglieder dagegen gestimmt. Abg. Graf Bismarck-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.