Das Beuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 20.—23.) 85
Abg. Richter (fr. Vp.) beantragt, das Bürgerliche Gesetzbuch von
der Tagesordnung abzusetzen. Die Gründe dafür lägen in der vorgeschrittenen
Jahreszeit, in der herrschenden Hitze, der langen Dauer der Session und
in der wiederholt konstatierten Beschlußunfähigkeit des Reichstages. Da
das Gesetzbuch erst 1900 in Kraft treten solle, sei Eile nicht notwendig.
Abg. Dr. Lieber (3.): Das Zentrum trete einmütig dafür ein, dieses
große nationale Werk jetzt zum Abschluß zu bringen. Seine Freunde
hielten es für eine der ehrenvollsten Aufgaben, die je ein Reichstag zu lösen
hatte, die Einheit des bürgerlichen Rechts zu schaffen, nach der die Nation
schon lange verlangt habe. Das Zentrum weise jede Verantwortung von
sich, wenn sich dieser Reichstag zur Lösung der Aufgabe unfähig erweisen
sollte. In demselben Sinne sprechen sich aus die Abgg. von Bennigsen
(nl.), Rickert (fr. Vg.), v. Stumm (RP.), v. Dziembowski (Pole),
während v. Manteuffel (kons.), Singer (Soz.), v. Hodenberg (Welfe)
für den Antrag Richter plädieren. Gegen die Stimmen der Sozialdemo-
kraten, der Freisinnigen und der Deutschen Volkspartei, der Deutschen Reform-
partei, der Welfen und der Mehrheit der Konservativen wird der Antrag
Richter abgelehnt.
Hierauf wird, nachdem ein Versuch des Abg. Iskraut (Antis.),
das Haus für beschlußunfähig zu erklären, vom Bureau abgelehnt worden
ist, das erste Buch „Allgemeiner Teil“ angenommen. Es enthält die Ab-
schnitte: Personen, Sachen, Rechtsgeschäfte, Fristen, Termine, Verjährung,
Ausübung der Rechte, Sicherheitsleistung.
20. Juni. Schluß des Preußischen Landtags durch den
Ministerpräsidenten Fürsten Hohenlohe.
Die wichtigsten der vom Landtage in dieser Session genehmigten
Gesetzentwürfe und Anträge sind folgende: Das Etatsgesetz, die Sekundär-
bahnvorlage, das Gesetz auf Errichtung von Getreidelagerhäusern, auf Er-
richtung einer Generalkomm. für Ostpreußen, das Gesetz über das Anerben-
recht bei Renten= und Ansiedlungsgütern, der Antrag Wallbrecht auf Sicher-
stellung der Arbeiter und Lieferanten bei Bauten, der Antrag auf Hebung
des Silberwertes.
20./22. Juni. Der Reichstag genehmigt in zweiter Be-
ratung das 2. und 3. Buch, Recht der Schuldverhältnisse und
Sachenrecht, des Bürgerlichen Gesetzbuches nach Ablehnung
mehrerer soizaldemokratischer Anträge.
23. Juni. (Reichstag.) Zweite Beratung des Bürger-
lichen Gesetzbuches. Wildschadensfrage.
Die Vorlage wollte nur den Ersatz des Wildschadens, welchen Schwarz-,
Rot-, Elch-, Dam= oder Rehwild verursachen, dem Jagdberechtigten auf-
erlegen. Die Kommission hat auch die Hasen und Fasanen in § 819 auf-
genommen und außerdem einen neuen § 819a hinzugefügt, daß für Schaden
durch Schwarz= und Rotwild, das seinen Stand in einem anderen Jagd-
bezirk hat, der dort Jagdberechtigte zum Ersatze verpflichtet sein soll. Die
Abgg. Graf Mirbach (kons.) und v. Stumm (Np.) beantragen überein-
stimmend, beide Paragraphen zu streichen und im Einführungsgesetz eine
Bestimmung hinzuzufügen, wonach die landesgesetzlichen Bestimmungen über
Wildschadenersatz unberührt bleiben sollen. Abg. v. Gültlingen (Rp.)
will die Hasen aus dem §8 819 streichen.
Preuß. Oberforstmeister Danckelmann erklärt die Vorschläge der