Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

4 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.) 
Landtag der Monarchie in Allerhöchstihrem Namen zu eröffnen. Die 
Finanzlage des Staates hat sich seit der letzten Tagung, namentlich infolge 
der anhaltenden Steigerung der Erträgnisse aus den meisten Staatsbetrieben, 
fortgesetzt günstig gestaltet. Das am 1. April v. J. abgeschlossene Rech- 
nungsjahr hat einen höheren Ueberschuß als das Vorjahr ergeben. Ebenso 
kann für das laufende Rechnungsjahr ein erheblicher Ueberschuß, wenn 
auch nach den bisherigen Schätzungen nicht in gleicher Höhe, erwartet 
werden. Der Staatshaushalts-Etat für 1898/99 hält in Einnahme und 
Ausgabe das Gleichgewicht. Die gesteigerten Einnahmen haben es gestattet, 
für fast alle Zweige der Staatsverwaltung Mehraufwendungen in größerem 
Umfange in Aussicht zu nehmen. Bei reichlicher Bemessung der Mittel 
zur Deckung dauernder Ausgaben haben insbesondere die einmaligen und 
außerordentlichen öffentlichen Bedürfnisse eine weitgehende Berücksichtigung 
finden können. Der Ihnen alsbald zugehende Entwurf eines Gesetzes, be- 
treffend den Staatshaushalt, wird die gesetzliche Feststellung von Grund- 
sätzen für die Veranschlagung, Führung und Kontrolle des Staatshaushalts 
vorschlagen. Der Entwurf steht überall auf dem Boden des verfassungs- 
mäßigen Rechtszustandes; er beabsichtigt im wesentlichen, Grundsätze zu- 
sammenzufassen und auszugestalten, die schon seither bei der Verwaltung 
der Einnahmen und Ausgaben des Staates teils im Anschluß an Ver- 
waltungsvorschriften, teils in thatsächlicher Uebung befolgt, in einzelnen 
Fragen auch bereits mit dem Landtage vereinbart worden sind. Die gesetz- 
liche Festlegung dieser Grundsätze wird dazu dienen, die Sicherheit und 
Gleichmäßigkeit ihrer Handhabung zu gewährleisten und mehrfach hervor- 
getretene Zweifel und Schwierigkeiten zu beseitigen. Nach den bisherigen 
Erfahrungen stehen die durch die Stellung der Amtskautionen dem Staate 
erwachsenden Vorteile nicht im richtigen Verhältnis zu den Kosten und 
Weiterungen ihrer Verwaltung und den wirtschaftlichen Lasten, die dadurch 
den Beamten auferlegt werden. Es soll daher die behufs Sicherung der 
Ansprüche des Staates bestehende Verpflichtung der Beamten zur Stellung 
von Kautionen im Wege des Gesetzes allgemein aufgehoben und damit eine 
erhebliche Erleichterung der betreffenden Beamtenklassen herbeigeführt werden. 
Ihre verfassungsmäßige Mitwirkung wird zu einer Neuregelung und Ver- 
besserung des Diensteinkommens der Geistlichen beider Konfessionen in An- 
spruch genommen werden, welche nicht ohne Bereitstellung weiterer staat- 
licher Mittel zu erreichen ist. Die Stellung der Privatdozenten an den 
Universitäten entbehrt zur Zeit der gleichmäßigen und zum teil überhaupt 
einer ausreichenden rechtlichen Grundlage, sodaß eine gesetzliche Regelung 
dieser Verhältnisse angezeigt erscheint. Wegen Erweiterung des Staats- 
eisenbahnnetzes, Förderung der Kleinbahnen und Verbesserung der Wohnungs- 
verhältnisse ständiger Arbeiter und unterer Beamten wird Ihnen auch in 
dieser Tagung ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. Die erfreuliche, ins- 
besondere seit Errichtung der Zentral-Genossenschaftskasse in raschem Fort- 
schreiten befindliche Entwickelung des Genossenschaftswesens macht eine 
nochmalige Erhöhung des Grundkapitals der Kasse erforderlich. Diese soll 
hierdurch in den Stand gesetzt werden, noch mehr als bisher den Ansprüchen 
der sich ununterbrochen vermehrenden wirtschaftlichen Organisationen der 
Mittelklassen in Stadt und Land zu genügen. Zur Fortführung des An- 
siedelungswerkes in den Provinzen Posen und Westpreußen wird eine Er- 
höhung der durch Gesetz vom 26. April 1886 bewilligten Mittel beabsichtigt. 
Ein darauf bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen unverweilt zugehen. In 
großen Teilen der Provinz Westfalen und einiger angrenzender rheinischer 
Kreise entspricht die Einführung eines unmittelbaren gesetzlichen Anerben- 
rechts den Rechtsanschauungen, Erbgewohnheiten und wirtschaftlichen Be-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.