Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 11.—14.) 5
dürfnissen der Bevölkerung. Es ist deshalb eine Ausdehnung des gesetz-
lichen Anerbenrechts auf diese Gebiete in Aussicht genommen. Die durch
Hochwasser in verschiedenen Teilen des Landes letzthin herbeigeführten be-
klagenswerten Verheerungen haben das landesväterliche Herz Seiner
Majestät des Kaisers und Königs tief bewegt. Die Staatsregierung hat
die zur Linderung der ersten Not und behufs Ausführung der unaufschieb-
baren Herstellungsarbeiten notwendigen Maßnahmen ungesäumt getroffen
und die sogleich erforderlichen Mittel, in Voraussetzung der verfassungs-
mäßigen Zustimmung des Landtages, flüssig gemacht. Nachdem es hierdurch
und mit Hilfe der aus allen Teilen Deutschlands eingegangenen, überaus
dankenswerten reichen Spenden gelungen ist, dem dringendsten Bedürfnis
vorläufig abzuhelfen, bedarf es nunmehr noch der Bereitstellung weiterer
öffentlicher Mittel zur Beseitigung der Verheerungen und ihrer Folgen.
Ein bezüglicher Gesetzentwurf wird Ihnen unterbreitet werden. Zur
dauernden Sicherung der betreffenden Landesteile gegen Ueberschwemmungs-
gefahren sind Erörterungen eingeleitet, welche die Regulierung der in Be-
tracht kommenden Flußläufe, deren planmäßige Unterhaltung, sowie sonstige,
eine geregelte Wasserabführung erleichternde Einrichtungen bezwecken. Meine
Herren! Wichtige Aufgaben harren der Lösung. Die Regierung Seiner
Majestät rechnet dabei auf Ihre verständnisvolle, patriotische Unterstützung.
Möge die gemeinsame Arbeit auch in dieser letzten Tagung Ergebnisse
zeitigen, die dem Vaterlande zu dauerndem Segen gereichen! Auf Befehl
Seiner Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich den Landtag der
Monarchie für eröffnet.
11./14. Januar. (Reichstag.) Erste Beratung der Gesetz-
entwürfe, betr. Aenderungen des Gerichts-Verfassungsgesetzes und
der Civilprozeßordnung sowie eines dazu gehörigen Einführungs-
gesetzes.
Staatssekretär Nieberding begründet die Vorlagen, die zum Teil
durch das Bürgerliche Gesetzbuch nötig geworden sind. Die Vorlagen
strebten eine Verminderung des Formalismus und Verhinderung der Ver-
schleppung an. Das Beschwerdewesen solle vereinfacht werden. Das ganze
sei kein Reformwerk großen Stils, es solle nur das durch die Erfahrung
als verbesserungsbedürftig Anerkannte geändert werden. Abg. Rintelen (Z.)
fordert eine Reform des Zustellungswesens und Verminderung der Prozeß-
kosten. Abg. v. Cuny (nl.) billigt die Vorlagen im ganzen, hat aber
im einzelnen mancherlei Wünsche. Abg. v. Dziembowski (Pole) wünscht
größeren Schutz des kleinen Grundbesitzes in den Vorlagen und Erleichte-
rung der Aussagen der nichtdeutschen Bevölkerung in ihrer Muttersprache.
Am folgenden Tage spricht Abg. v. Buchka (kons.) für die Vorlagen.
Abg. Haase (Soz.) gegen die Vorlagen, weil sie die Rechtspflege ver-
teuern würden. Die Vorschriften über die nicht pfändbaren Sachen gingen
nicht weit genug. In wirtschaftlichen Dingen müßten die Laien mehr zur
Rechtsprechung herangezogen werden. Abg. Lenzmann (frs. Vp.) findet
manche lobenswerte Punkte in den Vorlagen, tadelt aber die Hineintragung
fiskalischen Interesses bei der Vorschrift über die Vollmacht der Anwälte
und bezüglich der Erhöhung der Revisionssumme. Es finde sich auch eine
gewisse Animosität gegen den Anwaltstand in der Vorlage. — Am
14. Januar wird die Vorlage an die juristische Kommission verwiesen.
12. Januar. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Präsidenten-
wahl. Vorlegung des Etats. Rede Miquels.