Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 7.—10.) 71
Ostafrika. — Flagge und Person des Gouverneurs erhalten einen Salut
von 13 Schuß. Der Gouverneur und die Befehlshaber der Marine stehen
in keinem Unterordnungsverhältnis. Der Staatssekretär des Reichs-Marine-
Amtes hat über die ihm unterstellte militärische Besatzung des Kiautschou-
Gebietes und über die sonstigen angestellten Militärpersonen die Befugnisse
des kommandierenden Admirals. Die Inspektionen der Marine-Infanterie
und -Artillerie sind mit Bezug auf alle Angelegenheiten der militärischen
Besatzung des Kiautschougebietes dem Staatssekretär des Reichs-Marine-Amts
unterstellt. Die Besatzungen sind im übrigen ihren Inspektionen unterstellt.
7. März. (Reichstag.) Erste Beratung der Vorlage über
Änderungen im Postwesen.
Staatssekr. v. Podbielski befürwortet die Ausdehnung des Post-
regals auf die ausschließliche Beförderung geschlossener Briefe innerhalb
der Städte. Die Privatposten hätten mancherlei Nachteile wie unsichere
Beförderung, Ausschluß der Vororte und schlechte Besoldung der Angestellten.
Die brauchbaren Beamten sollten in den Reichsdienst übernommen werden.
Eine Verpflichtung zur Entschädigung der Privatposten bestehe nicht. Abg.
Rettich (kons.) und Graf Bernstorff (R.-P.) treten dem Staatssekretär
bei. Abg. Hasse (nl.) fordert gerechte Abfindung der Privatposten, die
sich um den Verkehr in den Städten verdient gemacht hätten. Abg. Fisch-
beck (frs. Vp.) ist für Beibehaltung der Privatposten, die der Staatspost
eine gesunde Konkurrenz machten. Abg. Wurm (Soz.) gegen die Vorlage,
weil sie die Angestellten der Privatposten brotlos machen werde. Abg.
Lieber (Z.) ist für Entschädigung der Privatposten aus Billigkeitsgründen.
— An folgenden Tage wird die Vorlage einer Kommission überwiesen.
8. März. Depeschenwechsel zwischen dem Kaiser und dem
Hamburger Senat über Kiautschou.
Der Präsident des Hamburger Senats Dr. Lehmann richtet an den
Kaiser folgendes Telegramm:
Zu dem schönen Erfolge, mit welchem Eurer Maojestät weitblickende
Politik im fernen Asien neuerdings gekrönt worden, bittet der Senat von
Hamburg seine freudigen Glückwünsche dankend darbringen zu dürfen.
Der Kaiser antwortet:
Dem Senat danke Ich verbindlichst für seine Glückwünsche. Zu
der bewährten Tüchtigkeit von Hamburgs Kaufmannschaft hege Ich das
Vertrauen, daß auch sie an ihrem Teile Mir helfen wird, die neuen Er-
rungenschaften nutzbar zu machen zum Heile des deutschen Vaterlandes.
Wilhelm I. R.
10. März. Der Reichstag genehmigt in dritter Beratung
den Entwurf über die freiwillige Gerichtsbarkeit.
Auf Antrag der Sozialdemokraten wird gegen die Stimmen der
beiden konservativen Gruppen, der Nationalliberalen, der freisinnigen Ver-
einigung, der deutschsozialen Reformpartei und einiger Zentrumsmitglieder
folgende Bestimmung ausgenommen: Erklärt ein Beteiligter, daß er der
deutschen Sprache nicht mächtig ist, so muß bei der Beurkundung ein ver-
eideter Dolmetscher hinzugezogen werden. — Der preuß. Justizmin. Schön-
stedt hatte sich entschieden dagegen ausgesprochen.
10. März. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Dritte Be-
ratung der Vorlage über die Beseitigung der durch das Hochwasser
angerichteten Schäden und des Ansiedlungsgesetzes. (Vgl. S. 66.)