Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 11. 15.) 73
geordnete der Kreisversammlungen) wird mit 33 gegen 24 Stimmen ab-
gelehnt. Der Artikel 1 und 2 des Kommissionsantrags (direkte Wahl)
werden mit 32 gegen 25 Stimmen angenommen, da dies aber nicht die
erforderliche Zweidrittel-Mehrheit ist, so sind die beiden Artikel thatsächlich
abgelehnt. Artikel 3 (§ 41 der Wahlrechtsordnung) erhält folgende Fassung:
die Wahlräume der einzelnen Wahlbezirke sind vom Gemeinde- (Stadt-)
Rat zu bestimmen und durch Anschlag am Rathause, durch Einrücken in
das amtliche Verkündungsblatt und nach Gutbefinden in ein oder mehrere
Ortsblätter bekannt zu geben. Die Wahl findet von 12 Uhr mittags bis
8 Uhr abends statt. Dieser Artikel wird einstimmig angenommen. Somit
gelangt das Gesetz in Form dieses einzigen Artikels an die Erste Kammer.
Der Antrag Dreesbach, der Regierung entschiedene Mißbilligung für ihre
Haltung in der Wahlrechtsvorlage auszudrücken, wird gegen die Sozial-
demokraten und zwei Demokraten abgelehnt. Der Antrag Wacker, wo-
nach der Regierung wegen ihrer Haltung das Bedauern ausgesprochen wird,
wird mit 32 gegen 25 Stimmen angenommen.
Am 12. März schreibt die „Karlsruher Ztg.": Se. königliche
Hoheit der Großherzog hat dem Staatsministerium auf Vorlage der Kammer-
beschlüsse vom 11. d. M. seine Allerhöchste Willensmeinung dahin kund-
gegeben, es solle die Gesamtregierung, die sich im Vollbesitz des landes-
herrlichen Vertrauens befinde, die Staatsgeschäfte weiterführen, da irgend
ein Anlaß zu einer Veränderung in der Zusammensetzung der obersten
Staatsbehörde nicht gegeben sei.
11. März. Der Reichstag genehmigt in dritter Beratung
nach längerer Debatte die Postdampfersubventionsvorlage. Auf
Antrag der Kommission ist bestimmt worden, daß die nach Ost-
Asien bestimmten Dampfer abwechselnd von Bremen und Hamburg
abgehen.
11. März. (Sachsen.) In der Kommissionsberatung über
die Abänderung des Vereins- und Versammlungerechts (vgl. 1897
S. 141, 149) erklärt Minister v. Metzsch:
Die Regierung lege Wert darauf, daß die Vorlage ohne die kon-
servativen Kompensationen zur Verabschiedung gelange. Theoretisch be-
trachtet, sei es zweifellos, daß Frauen und Minderjährige nicht in politische
Versammlungen gehörten, die praktische Durchführbarkeit der geplanten
Bestimmungen aber sei stark zu bezweifeln. Wenn Versammlungen, wie
so oft, von Tausenden besucht würden, sei es unmöglich festzustellen, wer
zur Teilnahme berechtigt sei. Versuche man die Feststellung doch, so werde
es große Weiterungen und Reibungen geben. Die sozialdemokratische
Agitation werde ohnedies nur zum Teil in öffentlichen Versammlungen
getrieben und sozialdemokratische Redner hätten bereits erklärt, sie würden,
wenn Minderjährige von den Versammlungen ausgeschlossen würden, die
Agitation in die Fabriksäle und auf die Arbeitsplätze übertragen. Schließ-
lich müsse man doch dem überwachenden Beamten die Befugnis geben, eine
Versammlung wegen Anwesenheit von Frauen und Minderjährigen auf-
zulösen. Dann aber sei keine Versammlung vor der Auflösung sicher.
15. März. (Württemberg.) Die Abgeordnetenkammer ge-
nehmigt den Gesetzentwurf, betreffend das kirchliche Gesetz über die
Ausübung der landesherrlichen Kirchenregimentsrechte im Falle der