Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

74 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 15./19.) 
Zugehörigkeit des Königs zu einer anderen als der evangelischen 
Konfession. 
15./19. März. (Reichstag.) Zweite Beratung der Militär- 
strafgerichtsordnung. Annahme. Erklärung Hohenlohes über das 
Einführungsgesetz. Debatte über den 18. März 1848. 
Nach § 1 sollen wegen aller strafbaren Handlungen der Militär- 
gerichtsbarkeit unterstellt sein 1. alle aktiven Militärpersonen, 2. die zur 
Disposition gestellten Offiziere u. s. w., 3. die Studierenden der Kaiser 
Wilhelms-Akademie, 4. die Schiffsjungen, solange sie eingeschifft sind, 
5. die in militärischen Anstalten versorgten Offiziere und Mannschaften, 
6. die vorübergehend zur Dienstleistung einberufenen Offiziere und 7. die 
verabschiedeten Offiziere, solange sie vorübergehend wieder Verwendung 
finden. 
Die Sozialdemokraten (Auer und Genossen) beantragen, nur die 
Militärpersonen des aktiven Heeres und der aktiven Marine der Militär- 
gerichtsbarkeit zu unterstellen. 
Abg. Munckel (frs. Vp.) beantragt, die Nr. 2 zu streichen und die 
zur Disposition stehenden Offiziere ebenso wie die verabschiedeten nach 
Nr. 7 zu behandeln. 
Kriegsminister von Goßler: Die Verhandlungen der Kommission 
haben einen sehr erfreulichen Fortgang gehabt; das verdanken wir besonders 
dem vorzüglichen Vorsitzenden, welcher die Verhandlungen geleitet hat. Ich 
will die Stellungnahme der preußischen Regierung zu den Beschlüssen der 
Kommission darlegen. Die ganze Organisation der Armee beruht auf der 
Einfachheit und Klarheit. Diese Einfachheit und Klarheit ist übertragen 
worden auf die Gerichtsverfassung. Die Gerichtsbarkeit ist übertragen 
worden auf diejenigen, welche die Verantwortung für die Ausbildung der 
Truppen hatten. Man hat denen, die die Pflichten hatten, auch die ihnen 
zukommenden Rechte gegeben. Der Gerichtsherr beauftragt den ihm zur 
Seite stehenden Sachverständigen, den untersuchungsführenden Offizier oder 
Auditeur, die Sache zu untersuchen und den Sachverhalt klarzustellen. 
Vor dem Gerichte erscheinen der Angeklagte und der Untersuchungsführer; 
beide müssen vor dem Gericht Rechenschaft ablegen. Das ganze Verfahren 
ist so einfach und ohne Beiwerk, daß es als schmucklos bezeichnet werden 
kann. Aber wir haben die praktische Erfahrung für uns in den Ergeb- 
nissen, welche wir bei diesem Verfahren erreicht haben. Die Schwierigkeit 
bei der Schaffung einer einheitlichen Militärstrafgerichtsordnung liegt 
darin, daß 1869 eine erheblich abweichende Militärstrafgerichtsordnung er- 
lassen worden ist. Als sich 1866 die deutschen Völkerschaften miteinander 
gemessen hatten und in größter Hochachtung von einander geschieden waren, 
haben sie sich zu einem Werke zusammengethan, das nicht genügend ge- 
würdigt worden ist. 1870—71 haben sich die erfreulichen Ergebnisse der 
Riesenarbeit der obersten deutschen Heeresleitung gezeigt. In Bayern 
wurde 1869 die Gerichtsordnung geändert; im Gegensatz zu Preußen, wo 
die Einheitlichkeit der Gerichtsbarkeit innerhalb der Truppen herrschte, 
wurde die territoriale Abgrenzung vorgenommen; an die Stelle der Schrift- 
lichkeit trat die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens. Diese 
Gegensätze zu vereinigen, darin liegt heute die Schwierigkeit. Wir haben 
Schulter an Schulter im großen Kriege gefochten; die Kameradschaft wird 
uns stets unvergeßlich sein. Die Frage der Militärgerichtsbarkeit ist eine 
prinzipielle. In der bayerischen Kammer wurden bei der Schaffung der 
Militärstrafgerichtsordnung viel weitergehende Wünsche laut. Man wollte
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.