Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 23./26.) 83 
erst nach 1903 ersetzt zu werden. Daß die „Deutschland“ Havarien erlitten, 
die die Ausfahrt verzögert haben, wurde gestern behauptet. Man rief 
darauf: deshalb brauchen wir neue Schiffe. Die Verzögerung der Ausfahrt 
lag in anderen Gründen. Diese 13 Kreuzer sollen eine Verstärkung erfahren 
aus der Materialreserve; aber es sind heute schon ebenso viele Schiffe im 
Auslandsdienst, wie nach der Vorlage auswärts thätig sein sollen; es ist 
nur an Stelle eines großen Kreuzers ein kleiner Kreuzer in Thätigkeit. 
Und 7 Kreuzer befinden sich noch im Bau. Die Forderungen für Aus- 
landsschiffe halten wir nicht für übertrieben. Anders stehen wir der 
heimischen Schlachtflotte gegenüber, der allein die Vermehrung der Schiffe 
zu gute kommen soll. Die 40 größeren Schiffe der Schlachtflotte sollen 
um 16 vermehrt werden, welche 200 Millionen im Neubau kosten. Der 
Hauptteil der Vermehrung der Kosten des Ordinariums fällt auf die 
Schlachtflotte. Zur Verteidigung der Küsten haben wir noch die Torpedo- 
flotte, die Küstenbefestigung, den Nord-Ostsee-Kanal und die Befestigung 
von Helgoland. Allerdings würden die vereinigten Flotten mehrerer Länder 
der unsrigen überlegen sein. Aber das gilt auch vom Landheer. Und 
wozu schließt man denn Bündnisse? Aus den Mitteilungen des Herrn 
Hollmann und des Generals von Stosch konnte es doch nicht zweifelhaft 
sein, daß die starke Brandung der Nordsee die Verteidigung erleichtert und 
den Angriff auf die Küste erschwert. Herr Rickert sprach gestern als 
Küstenbewohner von der Gefahr einer feindlichen Landung. 1889 sprach 
er ebenfalls als Küstenbewohner ganz anders. Er meinte damals, daß die 
Herren, je weiter sie von der Küste wohnen, um so besorgter seien. Aber 
von einer Landungsgefahr sei ernstlich nicht die Rede. Von einer solchen 
Gefahr könnte erst die Rede sein, wenn die Landmacht Deutschlands voll- 
ständig erschüttert wäre. Ich stütze mich dabei auf Behauptungen, die von 
Autoritäten ausgesprochen sind. Herr Rickert meint, die Gefahr der Be- 
schießung sei größer geworden, weil die Schiffskanonen jetzt weiter schießen. 
Aber schießen nicht die Landkanonen auch weiter als früher: Der Admiral 
Hollmann hat in der Kommission im vorigen Jahre gesagt, daß keine 
Flotte in die Elbe einlaufen und etwa Hamburg bombardieren könne. 
Wir sind nicht der Meinung, daß die geforderten 29 Kreuzer erforderlich 
sind. Es liegt hier eine technische Frage vor, die wesentlich eine Ver- 
trauensfrage ist. Können wir dieses Vertrauen haben nach dem, was vor- 
gekommen ist ? Die Widerlegung des Herrn Schädler seitens des Staats- 
sekretärs ist nicht geglückt. 1893 sagte der Staatssekretär, daß der Plan 
dahin gehe, von zwei zu zwei Jahren ein neues Panzerschiff zu bauen. 
Das war weniger, als bisher gebaut worden war. Der Vorgänger des 
gegenwärtigen Staatssekretärs hat im vorigen Jahre ausdrücklich darauf 
hingewiesen, daß die Technik wechselt, und daß keine Marineverwaltung 
sich binden kann. Wenn man sich an Denkschriften nicht binden kann, 
dann kann man sich doch an Gesetze auch nicht binden. Daß der Wechsel 
in der Technik jetzt geringer werden sollte, kann man nicht annehmen. 
Kleine Zufälligkeiten reichen hin, um die großen Panzerkolosse wehrlos zu 
machen, ja vielleicht zu Grunde zu richten. Das Hauptgewicht unserer 
Opposition gegen das Gesetz richtet sich gegen die Bindung des Etatsrechts. 
Verfassungswidrig ist allerdings das Gesetz nicht, aber Herr Schädler hat 
das Richtige getroffen: Nach der Verfassung kann auf mehrere Jahre be- 
willigt werden. Es handelt sich um eine dauernde Bewilligung, wofür die 
Bewilligung für mehrere Jahre nur einen Uebergang bildet. Wenn Windt- 
horst von Herrn Lieber für die neue Stellungnahme des Zentrums ange- 
führt ist, so muß ich dagegen protestieren; denn Windthorst ist immer mit 
uns in konstitutionellen Fragen die gleichen Wege gewandelt. Im Jahre 
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