152 Das Veutsche Reich und seine einjelnen Glieder. (August 15./16.)
15.|16. August. (Cronberg a. Taunus.) Zusammenkunft des
Kaisers mit dem König von England.
Der Besuch des Königs war am 1. August angekündigt und in der
Presse lebhaft diskutiert worden. (Vgl. 1905 S. 22) — Die „Norddeutsche
Allgemeine Zeitung" schreibt über die Zusammenkunft: „Die Begegnung
Sr. Majestät des Kaisers mit Sr. Majestät dem König von England in
Schloß Friedrichshof ist für beide Teile unter befriedigenden Eindrücken.
verlaufen. Der Verkehr zwischen den Monarchen trug das Gepräge freund-
lichen Entgegenkommens und verwandtschaftlicher Herzlichkeit. Jedes ge-
flissentliche politische Ausbeuten der Zusammenkunft liegt uns fern; sie
bildet aber mit den ungetrübten Erinnerungen, die sie hinterläßt, eine
weitere Etappe auf dem Wege der durch den Aufenthalt von Vertretern
deutscher Städteverwaltungen und der deutschen Presse in England an-
gebahnten allmählichen Besserung in den Beziehungen zwischen den Völkern,
den Regierungen und den Herrschern Deutschlands und Großbritanniens.
In zwanglosen, freundschaftlichen Gesprächen sind auf Schloß Friedrichs-
hof, wie kaum gesagt zu werden braucht, auch die großen Fragen der
Politik erörtert worden, und wir wissen, daß dies in einem Geiste geschehen
ist, wie es der Festigung des europäischen Friedens nur förderlich sein
konnte. Bei dieser Gelegenheit möchten wir einen alten Irrtum richtig
stellen, der in den Vorerörterungen der Presse über den Besuch des Königs
von England von neuem aufgetaucht ist. Man hat gesagt, daß König
Eduard uns einen offiziellen Besuch in Berlin schuldig geblieben sei, das
ist aber insofern nicht richtig, als Se. Majestät der König Eduard vor
zwei Jahren seinen amtlichen Besuch in Berlin abzustatten gewillt war.
Kiel wurde damals als Ort der Begegnung nur deshalb gewählt, weil
Se. Majestät der Kaiser und König dies wünschte.
Mitte August. Im Lithographen= und Steindruckergewerbe
wird nach mehrmonatigen Kämpfen ein Abkommen getroffen. Bis
zum 1. August 1907 soll der Achtstundentag eingeführt werden.
16. August. (Homburg.) Der Kaiser hält bei der Ent-
hüllung eines Denkmals zum Gedächtnis des Landgrafen von Hessen
folgende Rede: «
So oft Ich in Homburg v. d. H. Aufenthalt genommen habe, stets
habe Ich es mit Freuden empfunden, daß die hiesige Bevölkerung das
Andenken an das landgräfliche Haus Homburg treu und liebevoll im
Herzen bewahrt und ehrenvoll dessen gedenkt, was Homburg der landes-
väterlichen Fürsorge seiner Landgrafen zu verdanken hat. Nachdem in den
schönen Kuranlagen Meinen unvergeßlichen Eltern und Meinem in Gott
ruhenden Herrn Großvater als Ausdruck der ihnen gezollten Dankbarkeit
treffliche Denkmäler gewidmet worden sind, war es Mir ein Bedürfnis des
Herzens, Meinerseits diesem echten deutschen Fürstengeschlecht hier in un-
mittelbarer Nähe der Heilquellen, die alljährlich so vielen Tausenden von
nah und fern Gesundheit und Lebensmut von neuem spenden, ein Zeichen
inniger Verehrung und treuen Gedenkens zu errichten, und wahrlich, die
Homburger Landgrafen haben es verdient, daß ihre Persönlichkeiten und
Ruhmestaten im Herzen der Nachwelt einen Ehrenplatz behalten. Ist es
nicht eine herrliche Reihe reckenhafter Heldengestalten, die an unserem gei-
stigen Auge vorüberziehen? Mit einer stattlichen äußeren Erscheinung
waren bei ihnen alle Vorzüge eines edlen Geistes und eines reinen Cha-
rakters verbunden. Im Jahre 1622, als Tillys Scharen Westdeutschland