20 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 30.)
Dieses Zeugnis wird mir der Regierungspräsident von Oppeln nicht ver-
sagen können. Aber diese Vorlage halte ich für verfehlt und für einen
wirkungsvollen Schlag ins Wasser. Ich komme dazu aus Gründen prin-
zipieller Natur. Die Vorlage fügt ein Novum in die Gesetzgebung ein:
die Expropriation aus politischen Gründen. Wir haben sie bisher nicht
gehabt und werden sie in Zukunft haben. Der Ausführung, daß es aus
nationalen Gründen geschehe, kann ich nicht folgen, denn politisch und
national sind kein Gegensatz, im Gegenteil, der Begriff des Politischen ent-
hält Nationales, Soziales usw. Führen wir hier die Expropriation aus
nationalen Gründen ein, so können wir es im nächsten Jahre aus sozialen
oder anderen Gründen machen. Das Prinzip des Eigentums steht mir so
hoch, daß ich um diese Bedenken nicht herum kann. Die Wirkung der
Vorlage wird weniger als Null sein. Wir wollen den Gegner vernichten,
indem wir ihm die wirtschaftliche Grundlage entziehen, aber wir geben
ihm dafür eine wichtigere Grundlage, sie macht ihn mobil, erhöht seine
Freizügigkeit, erhöht seine Organisationsfähigkeit, sein Geld wandert in die
Kassen der Polenbanken und arbeitet dort im politischen Interesse weiter.
Nehmen wir aber der Regierung diese Mittel ab, so müssen wir ihr andere
Mittel zeigen. Es gibt solche Mittel, aber in weiter Ferne. Um das zu
ersetzen, was wir durch eine solche verfehlte Politik verloren haben, bedarf
es einer langen eifrigen Arbeit. In erster Linie muß die Regierung sich
eine Beamtenschaft erziehen und ihr die Ueberzeugung beibringen, daß sie
mit der Wahrung der deutschen Interessen in der Ostmark eine Lebens-
aufgabe zu erfüllen habe. Hier liegt ein großer Mangel, die Beamten
suchen bald wieder aus der Ostmark herauszukommen. Sodann schaffen
wir eine deutsche Schule, aber eine Staatsschule! Wenn wir das polnische
Kind auf den Standpunkt bringen wollen, den wir vom deutschen erwarten,
so müssen wir bedenken, daß Schwierigkeiten vorliegen, die das Kind mit
der Muttermilch einsaugt. Deshalb stellen Sie einen beträchtlichen Betrag
bereit, 20, 30 Millionen — darauf kommt es mir nicht an (Heiterkeit) —,
um deutsche Schulen im Osten zu gründen. Endlich müssen wir die An-
siedelungskommission auflösen. Die Ansiedelungskommission hat Mißerfolge
gehabt, aber der Fehler liegt nicht an der Kommission, sondern an der
Politik Auf dem bisherigen Wege kommen wir nicht weiter, alles dies
scheitert an der einen Unmöglichkeit: Sie können nicht 4 Millionen Polen
expropriieren. Und wenn Sie es erreichen, würden Sie nur die Waffen
der Gegner damit schärfen.
Oberbürgermeister Kersten-Thorn befürwortet das Gesetz als eine
Verteidigungsmaßregel gegen die aggressiven Polen.
Oberbürgermeister Bender-Breslau gegen das Gesetz: Wenn man
schon zu den schärfsten Maßregeln greifen muß, so hebe man lieber die
polnischen Schulen auf, damit die Kinder nichts mehr lernen. Das würde
schneller wirken als die Enteignung des Grundbesitzes. Die Zunahme des
polnischen Grundbesitzes liegt daran, daß für einen Deutschen das Leben
dort ungemütlich ist. Wo werden denn die enteigneten Leute bleiben?
Die ausgekauften Besitzer werden ihr Geld nicht nach Paris oder sonst
wohin tragen, sondern bleiben im Lande und ergreifen einen anderen Beruf.
Das ist der Fluch dieser Gesetzgebung, daß sie den ruhigen Polen zu einem
wilden Polen macht. Die Polen im Privatrecht zu differenzieren, ist eine
große Torheit. Das Gesetz ist in sich häßlich, es wird nicht nutzen, es
wird die Gegner stärken, und es ist ein Präzedenzfall, an den wir noch
zu denken haben werden.
Justizminister Dr. Beseler: Das hohe Haus wird von der Regie-
rung eine Erklärung erwarten, wie sie sich zu der Verfassungsfrage stellt.