Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

26 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 10. 12./26.) 
Uebertragenden mehr als 10 Jahre ununterbrochen im Besitz gewesen ist, 
f) von Grundstücken, welche der Eigentümer von dem Voreigentümer als 
dessen Ehegatte oder als dessen Erbe der ersten oder zweiten Ordnung im 
Sinne der §§ 1924, 1925 des BGB., kraft Testaments oder kraft gesetz- 
licher Erbfolge erworben hat. Befindet sich das Grundstück im Miteigen- 
tum mehrerer Personen, so ist die Enteignung nur ausgeschlossen, sofern 
bei jedem der Miteigentümer eine der zu e oder f genannten Voraus- 
setzungen zutrifft. Steht das Eigentum oder Miteigentum einer an Kindes 
Statt angenommenen Person oder einer juristischen Person zu, so finden 
die Bestimmungen dieses Paragraphen keine Anwendung. Die Vollendung 
der zehnjährigen Dauer des Besitzes muß vor der Zustellung des Beschlusses 
(§ 15) eingetreten sein.“ 
Ferner wird folgende Resolution angenommen: „Die Königliche 
Staatsregierung zu ersuchen, baldmöglichst eine organische Reorganisation 
der Königlichen Ansiedelungskommission für die Provinzen Westpreußen 
und Posen in die Wege zu leiten und hierbei den Einfluß der beteiligten 
Oberpräsidenten zu verstärken, sowie eine Mitwirkung der Organe der 
Selbstverwaltung herzustellen." 
10. Februar. Die „Münchener Neuesten Nachrichten"“ schreiben 
über die Marokkofrage: 
„Fürst Bülow hat einmal gesagt, um Marokkos willen werde Deutsch- 
land keinen Krieg führen. In Paris scheinen manche Leute das so zu 
verstehen, Deutschland wolle keinen Teil an Marokko haben. In terri- 
torialem Sinne ist es richtig. Aber Marokko kann die Ursache werden, 
daß Deutschland um seiner Ehre, seines Ansehens und seiner Interessen 
willen auch vor dem Aeußersten nicht zurückschreckt. Delcassé hat gesagt, 
Deutschland habe 1905 mit der Kriegsdrohung nur geblufft"“. Nun, das 
Wort des Reichskanzlers zum Botschafter Bihourd, man stehe fast vor dem 
Abgrund, hat damals den vollen Ernst der Lage gekennzeichnet. Und wenn 
Deutschland jetzt wieder genötigt ist, zwar sehr höflich, aber auch sehr fest 
den französischen Plänen in Marokko ein Halt zuzurufen, so mag man in 
Paris versichert sein, daß damit nicht wie im Pokerspiel ein „Bluff, son- 
dern eine tiefernste Warnung gemeint ist.“" 
12. Februar. Der Reichstag genehmigt fast einstimmig 
folgenden Antrag v. Richthofen (kons.): 
Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die Vorarbeiten zu einem 
Gesetzentwurf betreffend die Pensions= und Hinterbliebenenversicherung der 
Privatbeamten so zu fördern, daß derselbe bei Beginn der nächsten Reichs- 
tagssession zur Vorlage gelangen kann. 
12. Februar. Der Reichstag fordert einstimmig ein Gesetz 
zur Regelung des Automobilverkehrs. 
12./26. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Zweite 
Beratung des Kultusetats. 
Abg. Dittrich (3.) fordert Beibehaltung der geistlichen Ortsschul- 
inspektoren, damit der Zusammenhang zwischen Schule und Kirche gewahrt 
bleibe. Es sei fehlerhaft, die technische Aufsicht von der sonstigen trennen 
zu wollen. — Abg. v. Jazdzewski (Pole) tadelt, daß die Ansiedelungs- 
kommission ungerecht gegen katholische Ansiedler verfahre, und daß die 
polnische Sprache im Religionsunterricht zurückgedrängt werde. Die katho- 
lischen Ordensniederlassungen müßten mehr gefördert werden. — Kultus-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.