Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 18.) 33
der Kaufleute, selbst der Missionare. Die Beziehungen der weißen Regierung
zu den schwarzen Schutzgenossen und das Maß ihres Einflusses richtet sich
stark nach örtlichen Umständen. Sie wissen z. B., daß wir in den volks-
reichsten und wahrscheinlich auch viehreichsten Teilen des ostafrikanischen
Schutzgebietes so gut wie gar keine Macht ausüben, so über das ganze
Land Ruanda und Urundi. Diese sollen ungefähr fünf Millionen Ein-
wohner haben und sehr wohlhabend sein. In Ruanda wird jetzt der Ver-
such einer Residentur gemacht — lediglich der Versuch. Wir glauben, einen
sehr geeigneten Mann in dem Dr. Kandt gefunden zu haben, der diesen
Versuch machen kann. Aber von einem Erwerb dieser beiden Länder für
die Kolonie Ostafrika, für Deutschland, ist vorläufig weder materiell noch
politisch die Rede. Das bezieht sich aber auf ungefähr die Hälfte der
sämtlichen in diesem Lande ansässigen Einwohner. Die Bevölkerung im
Schutzgebiet ist keineswegs gleichmäßig. An der Küste ist eine Mischung
aller möglichen Negerarten vorhanden, natürlich ohne Stammeszugehörigkeit
und natürlich auch ohne entsprechende einheimische Obrigkeit. Im Innern
hat man überall, wo kriegerische Zusammenstöße zwischen Weißen und
Schwarzen stattgefunden haben, die einheimischen Sultane und Häuptlinge
entfernt und durch Beamte, auch schwarze Beamte, ersetzt. Im Westen
herrschen die eingeborenen Sultane unter der deutschen Oberherrschaft,
wobei auch wieder zu unterscheiden ist, daß in manchen dieser Länder die
deutsche Gerichtsbarkeit allein herrscht, wie in Unjamwesi und Usukuma,
während die einheimische Gerichtsbarkeit zum Teil in den anderen Ländern
geblieben ist. Es ist eine Frage, die der Vergangenheit angehört, ob es
richtig gewesen ist, jene einheimischen Sultane einfach zu entfernen. Ich
habe mehr oder weniger die Empfindung gehabt, daß sich der Neger unter
Umständen besser fühlt unter der einheimischen Herrschaft der Sultane.
Aber das ist nun einmal geschehen und war vielleicht auch nicht zu ver-
meiden. Es würde nunmehr die Frage sein: was soll mit den Ländern
in Ostafrika geschehen, die noch unter der Zwischenherrschaft dieser ein-
heimischen Sultane oder Fürsten oder Dorfschulzen oder, wie Sie die
Leute nun nennen wollen, stehen? Es würde schwierig sein, das zu ändern,
weil man dazu erhebliche Machtmittel braucht, und ich glaube, daß ich
nicht noch einmal darauf aufmerksam machen muß, daß wir in Ostafrika
bei einer Bevölkerung von 10 Mill. Einwohnern bei über 3 Mill. Männern
nur 400 schwarze Soldaten und Polizisten und vielleicht 120 oder 150
deutsche Offiziere haben. Wir müssen — und das ist die Basis unserer
Macht — in Ostafrika durch das Ansehen, das die Verwaltung besitzt,
durch die Schärfe, mit der sie gegen jede Unbotmäßigkeit vorgeht, durch
die technischen Hilfsmittel der Eisenbahnen, die, wie Sie wissen, ihr noch
unvollkommen zur Seite stehen, und durch das Maß von Vertrauen, welches
sie bei den Schwarzen genießt, alles zusammenhalten. Wir müssen eine
kräftige, gerechte, vertrauenswerte Verwaltung dort einführen und halten
und vor allen Dingen den Leuten beibringen, daß sie von der deutschen
Herrschaft einen Vorteil haben. Das ist ihnen sehr schwer beizubringen,
schon deshalb, weil die Vorteile, die sie bisher gehabt haben, sehr gering
waren gegenüber den Nachteilen, die die deutsche Verwaltung für sie nach
ihrem Empfinden hatte in Bezug auf Abänderung ihrer Gewohnheiten, auf
Steuerzahlen, Kontrollen usw. Ich möchte, daß meine Ausführungen in der
Kommission die Ueberzeugung erwecken, daß die Regierung nur prosperieren
kann, wenn sie eine vorsichtige, langsame, wie manche sagen „negerfreund-
liche“, und, wie ich sage, negererhaltende Politik einschlägt, und daß sie sich
von dem Wege durch irgendwelche Interessen oder Ansichten nach keiner
Richtung abdrängen lassen darf. Sie muß, wie in der Heimat, zwischen
Europäischer Geschichtskalender. XIIX. 3