Das Dentsqhe Reiq uub seine einzelnen Glieder. (Januar 26.) 39
ethischen Fundament stehen. Ich danke ihnen, daß sie uns in diesem
Kampfe unterstützt haben. Die Worte des Abg. Herold über das Christen-
tum sind einem großen Teile der konservativen Partei aus dem Herzen
gesprochen. (Lebhafter Beifall im Zentrum und rechts.) Die Zeit wird
kommen, daß wir immer mehr das, was uns trennt, zurückstellen,
um die christliche Weltanschauung zur Geltung zu bringen. (Leb-
hafter Beifall rechts und im Zentrum. Große Unruhe und lebhafte Oho!
links. Abg. Hoffmann [(Soz.]: Da haben Sie lzu den Freisinnigen] die
Kündigung! Stürmische Heiterkeit.)
Die schöne Rede des Ministers v. Bethmann Hollweg über das
Wahlrecht hat ja auch den Beifall meiner Freunde gefunden, weil an den
bewährten Grundsätzen des preußischen Wahlrechts festgehalten werden sollte.
Der Ministerpräsident hat im vorigen Jahre hier noch eine Aenderung
abgelehnt, aber in seiner Rede vom 26. März v. J. als Reichskanzler ist
er dem Verlangen nach Aenderung dieses Wahlrechts schon etwas näher
gekommen. Aber wie denkt man sich die Ausführung des Pluralwahl-
rechts? z. B. was heißt politisches Verständnis? Alter schützt vor Torheit
nicht. (Heiterkeit.) In Sachsen hat ja das Wahlrecht, bei dem man auch
von allem etwas nahm, auch niemand gefallen. Fürst Bismarck hat sich
dahin ausgesprochen, daß das geheime Wablrecht den Grundbegriffen des
deutschen Volkes nicht entspräche. Denn Sie wissen doch, Herr Abg.
Friedberg, daß er sein Wort von dem elendesten aller Wahlsysteme in
seinen „Gedanken und Erinnerungen“ zurückgenommen hat. Glauben Sie
denn, daß das allgemeine Wahlrecht gegen die Plutokratie schützen würde?
Denken Sie doch an die Trustwirtschaft in Nordamerika und daran, daß
man im demokratischen Frankreich nicht einmal eine Einkommensteuer durch-
setzen kann.
Ich hätte es ganz gern gewünscht, daß die Sozialdemokratie uns
wirkliche Arbeiter hierher gesandt hätte. Sie können doch nicht verlangen,
daß wir Sie (zu den Sozialdemokraten) etwa mehr als Arbeiter ansehen
als die Handwerksmeister auf unserer Seite? (Lebhafte Zustimmung rechts.)
Daß heute schon bei dem Dreiklassenwahlrecht der Mittelstand durchaus zu
seinem Recht kommt, ist durch die Statistik erwiesen. In 9000 von 27000
Bezirken genügt ein Einkommen von 1 Mk., um in die zweite Klasse zu
kommen. Der französische Historiker Taine hat ein begeistertes Loblied
auf das preußische Wahlrecht gesungen, weil es ein guter Ausgleich zwischen
Berechtigungen und Pflichten sei. Die ernste Warnung des Vorstandes der
konservativen Partei kann ich nur wiederholen; durch alle Versuche der
Veränderung des Wahlrechts werden nur die Leidenschaften der Volksseele
aufgerüttelt. Die ganzen Wahlrechtsänderungen zielen ja auf eine weitere
Verschiebung der Machtverhältnisse nach links ab. Das hat auch der Abg.
Ledebour zugegeben. Es handelt sich um die Abänderung der Befugnisse
des Parlaments, um die Aenderung seines Verhältnisses zur Krone. Daran
wollen wir Konservativen aber nichts geändert sehen, und deshalb wollen.
wir den festen Pfeiler der Krone, das preußische Dreiklassenwahlrecht, nicht
umstürzen. Ich habe hier die Erklärung abzugeben, daß wir an den Grund-
lagen unseres bewährten preußischen Wahlrechts nicht gerüttelt sehen wollen.
26. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Die Be-
ratung der freifinnigen, polnischen und nationalliberalen Wahl-
anträge wird fortgesetzt.
Der nationalliberale Antrag Hobrecht hat nun folgende
Fassung erhalten: „Die Staatsregierung zu ersuchen, mit tunlichster Be-