Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenundzwanzigster Jahrgang. 1911. (52)

520 ũrkei. (November 6. - 14.) 
6. November. Einrichtung der Zensur für die aus dem 
Ausland importierten Korans. 
Falls der Scheik ül Islam darin irgendeine unrichtige Stelle ent- 
deckt, werden die entsprechenden Exemplare konfisziert. Am Import sind 
hauptsächlich Deutschland und Amerika beteiligt. 
8. November. Protestnote der Pforte gegen die Annexion 
Tripolitaniens durch Italien. 
„Die Kaiserlich Ottomanische Regierung erfährt, daß die italienische 
Regierung aus eigenem Antrieb ein Dekret veröffentlicht, das die Annexion. 
der ottomanischen Provinzen von Tripolis und Benghasi ausspricht, und 
in diesem Augenblick dies den Mächten mitgeteilt hat. Die Hohe Pforte 
erhebt in energischster Weise gegen diese Proklamation Einspruch, die sie 
rechtlich und tatsächlich als null und nichtig betrachtet. Ein solcher Akt 
ist in der Tat nichtig, weil er den elementarsten Grundsätzen des Völker- 
rechts widerspricht. ist es auch darum, weil die Türkei und Italien 
sich noch in vollem Kriege befinden, den die türkische Regierung fortzusetzen 
beabsichtigt, um mit den Waffen ihre unverjährbaren und unveräußerlichen. 
Hoheitsrechte über diese beiden Provinzen zu verteidigen. Anderseits bildet 
diese Proklamation und ihre Mitteilung an die Mächte eine doppelte und 
formelle Verletzung der feierlich eingegangenen Verpflichtungen auf Grund 
der Verträge, besonders derjenigen von Paris und Berlin, sowohl von 
Italien gegenüber den Großmächten wie auch von diesen gegenüber der 
Kaiserlichen Ottomanischen Regierung hinsichtlich der territorialen Unver- 
letzlichkeit des Kaiserreiches. Unter diesen Umständen bleibt die durch die 
italienische Regierung proklamierte Annexion juristisch ungültig, um so 
mehr, als sie in der Tat nicht vorhanden ist.“ 
8. November. (Kammer.) Interpellation über die italie- 
nischen Grausamkeiten in Tripolis. 
Der Minister erklärte, die ersten Nachrichten über Grausamkeiten 
der Italiener, die von der Presse gebracht worden seien, seien durch amt- 
liche Berichte bestätigt worden. Die Pforte habe am 1. November an 
die Mächte eine Protestnote gegen diese Grausamkeiten gerichtet, die für 
Italien einen unauslöschlichen Schandfleck bedeuten. In der Note habe 
die Pforte gebeten, den Grausamkeiten ein Ende zu machen. Am 3. No- 
vember habe die Pforte eine neue Protestnote an die Signatarmächte der 
Haager Konferenz gerichtet. Es sei zu hoffen, daß dieser Schritt auf Ent, 
gegenkommen stoßen und den Grausamkeiten der Italiener ein Ende machen 
werde, die in der ganzen zivilisierten Welt lebhafte Empörung hervor- 
gerufen haben. „Inzwischen werden wir“, schloß der Minister unter den 
Beifallsrufen der Kammer, „furchtlos unser Gebiet gegen den Feind ver- 
teidigen. Die zivilisierten Nationen haben ihr Urteil über Italien ge- 
fällt.“ — Die Kammer fand die Erklärungen des Ministers ausreichend. — 
Der frühere Minister des Innern Talaat Bei rief unter dem Beifall der 
Kammer: „Nieder mit den Wilden!“ Der Hodscha Said verlangte, daß 
die Regierung alle Italicner unter Befolgung der gesetzlichen Formen 
ausweise. 
14. November. England, Frankreich und Rußland teilen der 
Pforte mit, daß sie in Rom Schritte getan hätten, eine Blockade 
der Dardanellen sowie ein Bombardement Smyrnas, Salonikis 
und Beiruts zu verhindern.
	        
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