Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

280 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 30.) 
steuer einen Anfang gemacht haben, können wir auch mit der Quotisierung 
einen Anfang machen. Für die Quotisierung haben sich auch andere 
Parteien, so die Nationalliberalen im preußischen Abgeordnetenhause, aus- 
gesprochen. — Der sozialdemokratische Antrag wird gegen die Stimmen 
der Antragsteller und der Polen abgelehnt. 
Nach § 28 a soll beim Erwerb von Todes wegen bei land= und forst- 
wirtschaftlich dauernd genutzten Grundstücken der Ertragswert zugrunde ge- 
legt werden. Als ein solcher soll gelten das fünfundzwanzigfache des Rein- 
ertrages. In zweiter Lesung ist der Zusatz „wobei neben dem Ertrag die 
Verwertbarkeit eines Jagd= oder Fischereirechts zu berücksichtigen ist“, ent- 
gegen dem Kommissionsvorschlage gestrichen worden. Ein Antrag der Sozial- 
demokraten auf Wiederherstellung dieser Worte wird von dem Abg. Keinath 
(Nl.) bekämpft und von der Mehrheit, bestehend aus dem Zentrum und 
den Nationalliberalen, abgelehnt. 
In § 43 Abs. 2 ist in zweiter Lesung die Steuerpflicht der 
Bundesfürsten ausdrücklich ausgesprochen worden. Hierzu liegt die von 
der Wirtschaftlichen Vereinigung eingebrachte Resolution Herzog vor, die ver- 
langt, daß in einer Regierungsvorlage das steuerrechtliche Verhältnis der 
Fürsten zum Reiche geregelt wird. Reichskanzler Dr. v. Bethmann Holl- 
weg: Unter Bezugnahme auf die wiederholt zu der vorliegenden Frage 
abgegebene Erklärung der verbündeten Regierungen bitte ich in deren Auf- 
trage den Reichstag dringend, den Abs. 2 des § 43 im Interesse des Zu- 
standekommens des Gesetzes abzulehnen. — Abg. Dr. Junck (Nl.): Nach 
der soeben gehörten Erklärung des Reichskanzlers habe ich namens meiner 
politischen Freunde folgendes zu erklären: Wir werden entsprechend der 
Haltung unserer Vertreter in der Kommission und entsprechend der Ab- 
stimmung der überwiegenden Mehrheit meiner Fraktion in der zweiten 
Lesung heute gegen den Abs. 2 des § 43 stimmen. Wir tun dies deshalb, 
weil wir nicht gewillt sind, auch nur einen Teil des nationalen Werkes, 
das so große Anforderungen an den Opfersinn des deutschen Volkes steilt, 
an dieser Frage scheitern zu lassen. Mit unserer Abstimmung wollen wir 
aber nicht zum Ausdruck bringen, daß die deutschen Fürsten nach dem 
geltenden Reichsrecht der Besteuerung des Reiches nicht unterliegen. Ich 
möchte übrigens bei dieser Gelegenheit feststellen, daß sich die etwaige Steuer- 
freiheit beschränken würde auf die Person des Landesherrn und der Landes- 
herrin; gegen eine Steuerpflicht der anderen Mitglieder der fürstlichen 
Häuser sind von keiner Seite staatsrechtliche Bedenken erhoben. Was nun 
die Resolution der Wirtschaftlichen Vereinigung anlangt, so glaube ich, 
meinen politischen Freunden empfehlen zu sollen, diesen Antrag abzulehnen, 
weil er angesichts der Haltung der verbündeten Regierungen einen prak- 
tischen politischen Zweck überhaupt nicht hat. — Abg. Behrens (W. V.): 
Wir haben uns für die Steuerpflicht der Bundesfürsten ausgesprochen und 
für die entsprechenden Anträge gestimmt. Beim Wehrbeitrag ist diese Frage 
nicht bestritten, weil die Fürsten sich freiwillig damit einverstanden erklärt 
haben, den Wehrbeitrag zu zahlen. Die Bestimmung im Wehrbeitragsgesetz 
ist also lediglich als eine Ordnungsvorschrift zu betrachten. Eine solche 
Ordnungsvorschrift in das Besitzsteuergesetz einzufügen, wäre bedenklich, 
nachdem die verbündeten Regierungen in der bündigsten Form erklärt haben, 
daß diese Bestimmung zu Schwierigkeiten führen könnte. Um aber diese 
ganze Frage der Regelung näherzubringen, haben wir Ihnen eine Resolution 
unterbreitet, in der wir die verbündeten Regierungen auffordern, diese 
Frage durch eine Gesetzesvorlage grundsätzlich zu regeln. Damit würde die 
Frage in der Schwebe bleiben. Trotz der Erklärung des Reichskanzlers 
glauben wir auf unsere Resolution nicht verzichten zu sollen. 
 
	        
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