Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 30.) 281 
Abg. Haase (Sd.): Hier liegt ein Umfall großer Parteien gegenüber 
der Regierung vor. Die Regierung hat es in der Hand, ob sie die Fürsten 
zur Steuer heranzieht oder nicht. Wenn wir aber nicht einen Zwang auf 
die Regierung ausüben, dann können wir sicher sein, daß die Regierung 
dies Gesetz nicht im Sinne der Mehrheitsparteien des Reichstages an- 
wendet. Die Auffassung der großen Mehrheitsparteien dieses Hauses geht 
dahin, daß sie die Heranziehung der Fürsten zur Steuer für berechtigt 
halten. Aber durch die Aufhebung des in zweiter Lesung hier gefaßten 
Beschlusses wird trotz aller dieser Erklärungen außen leicht der Eindruck 
erweckt, als ob der Reichstag nicht eine solche Steuerpflicht anerkenne. Ich 
betone freilich, dieser Eindruck ist ein falscher. Aber nach den Erklärungen 
der Regierung, die in dieser Angelegenheit einen anderen Standpunkt ein- 
nimmt, ist es Aufgabe des Reichstages, einen Riegel vorzuschieben, und 
wenn wir das nicht tun, dann werden wir nicht verhüten können, daß sich 
in Zukunft die Gelehrten und Staatsrechtslehrer auf die Entscheidung des 
Reichstages berufen werden. Wollen Sie konsequent sein, dann müssen 
Sie an dem Beschlusse der zweiten Lesung festhalten. — Abg. David (Sd.): 
Die Resolution der Wirtschaftlichen Vereinigung ist kein geeigneter Ausweg 
in dieser Frage. Auch glaube ich nicht, daß, wenn die Fürsten zur Steuer 
herangezogen werden, dieses das ganze Gesetz gefährden würde. Die Re- 
gierung würde es nicht vor dem ganzen Lande wagen, dieses Gesetz nicht 
zu akzeptieren, wenn der Beschluß der zweiten Lesung aufrecht erhalten 
wird. Dies ist politisch ganz unmöglich. Der Reichstag hat die ganze 
Macht in dieser Frage in der Hand, und deshalb hat der Reichstag auch 
die Verantwortung dafür, und Sie können die Verantwortung nicht von 
sich abschieben, wenn Sie sich auch auf die Erklärung des Reichskanzlers 
berufen. — In namentlicher Abstimmung wird der in der zweiten Lesung 
dem § 43 gegebene Zusatz, wonach der Bundesrat die für die Veranlagung 
und Erhebung der Besitzsteuer der Bundesfürsten zuständigen Be- 
hörden bestimmen soll, mit 195 gegen 169 Stimmen abgelehnt. 8 Ab- 
geordnete enthalten sich der Abstimmung. Der Rest der Besitzsteuervorlage 
wird mit lediglich redaktionellen Abänderungen nach den Beschlüssen zweiter 
Lesung erledigt. Die Gesamtabstimmung bleibt vorbehalten. Für die Re- 
solution Herzog erheben sich nur die Mitglieder der Wirtschaftlichen Ver- 
einigung. 
Die zur Vorlage betreffend den Wehrbeitrag zurückgestellten Ab- 
stimmungen werden nunmehr ebenfalls vorgenommen. Der Antrag Graf 
Westarp auf Einschaltung eines § 14 a, wonach der Wehrbeitrag dem Eigen- 
tümer zur Last fällt, wenn das abgabepflichtige Vermögen der Nutznießung 
unterliegt, sofern nicht rechtsgeschäftlich etwas anderes bestimmt ist, wird 
angenommen, ebenso der Antrag Bassermann-Erzberger auf anderweite 
Fassung des § 19. Endlich gelangt auch der in Konsequenz der zu der 
Besitzsteuervorlage gefaßten Beschlüsse gestellte Antrag Graf Praschma (3.) 
zur Annahme, die Berücksichtigung des Wertes eines Jagd- und Fischerei- 
rechts bei der Feststellung des Ertrages der landwirtschaftlich oder forst- 
wirtschaftlich genutzten Grundstücke zu beseitigen, zur Annahme. 
Zur Reichsstempelgesetzvorlage ist ebenfalls die Abstimmung 
über zwei Anträge zurückgestellt worden. Der Antrag Erzberger-Fischbeck 
auf Herabsetzung des Stempels für die Einbruchs-, Diebstahls- und Glas- 
versicherung wird angenommen, ebenso gelangt der Antrag Bassermann- 
Erzberger auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage betreffs des Stempels 
für die Feuerversicherung von Immobilien zur Annahme. 
Nunmehr erfolgen die Gesamtabstimmungen über die Wehr- 
und Deckungsvorlagen. Der Gesetzentwurf über einen einmaligen
	        
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