Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

378 Naes Veuische Reich und seine rinzelnen Glieder. (Dezember 3.) 
gemacht, und der Hauptmann hat es seinem Obersten gemeldet. Es mußte 
mithin der Leutnant v. Forstner über die Bedeutung dieses Wortes im 
klaren sein. Aber dessen ungeachtet hat er sämtliche elsaß-lothringischen 
Rekruten sich sofort nach ihrem Eintritt notiert und sie täglich mit dem 
Worte „Wackes“ traktiert. Er ist sogar soweit gegangen, daß er die Leute 
zu sich kommen ließ und sie die Meldung erstatten ließ: „Ich bin ein 
Wackes“. Ich habe in meinem offenen Brief an den Herrn Reichskanzler 
die Vorgänge der ersten Tage der Angelegenheit dargelegt. Es ist aber 
notwendig, daß man sie hier noch einmal kurz wiederholt. Die Presse- 
meldungen über die Vorgänge in der Instruktionsstunde erschienen zum 
erstenmal am Donnerstag den 6. November. An demselben Abend ereignete 
sich eine Mißfallenskundgebung vor der Wohnung des Leutnants v. Forstner, 
die sich am Freitag wiederholte. Am Samstag kam die Revolveraffäre im 
Restaurant „Zum Karpfen“. Die jungen Leutnants haben an diesem Tage 
bereits provozierende Spaziergänge durch die aufgeregte Bevölkerung ge- 
macht. Die Provokationen, von denen auch der Gemeinderat von Zabern 
in seinen Telegrammen an den Reichskanzler, den Statthalter, den Kriegs- 
minister und den Reichstag berichtet hat, begannen also am dritten Tage 
der Affäre. Am Sonntag, wo das Straßenpublikum durch den Zuzug der 
Landbevölkerung und sonst von auswärts verstärkt war, mußte Herr 
v. Forstner als Rondeoffizier die Straßen der Stadt mehrmals passieren 
und hat schließlich zu seiner Bewachung eine Patrouille mit geladenen Ge- 
wehren mit sich #7!1 obwohl er nicht tätlich angegriffen wurde. Es 
ist selbstverständlich, daß dadurch die erbitterte Bevölkerung weiter gereizt, und 
kein Wunder, daß v. Forstner dann einige Zurufe entgegengeschleudert wurden. 
Am Nachmittag dieses Sonntags gab es einen Regimentsbefehl, und es 
wurden sämtliche Mannschaften und Offiziere in die Kaserne beordert. 
Patronillen wurden in alle Wirtschaften geschickt, um die Leute nach der 
Kaserne zu holen, und nur die vier Herren Leutnants, die am Tage vorzer 
die Komödie im „Karpfen“ aufgeführt hatten, blieben allein auf der Straße. 
Allein für diese galt der Regimentsbefehl nicht. Sämtliche älteren Offiziere 
mußten in die Kaserne, bloß diese vier Herren liefen durch die aufgeregte 
Bevölkerung. Damals hätte man's noch gutmachen können, aber man wollte 
nicht! Daß die vier jungen Herren an diesem Tage, wo der Oberst, wie 
am Montag bekannt wurde, den Belagerungszustand verhängen wollte, wo 
er die Maschinengewehre und die Patronen hatte bereit halten lassen, durch 
die aufgeregte Bevölkerung liefen mit gelockertem Säbel und mit einer 
großen Dogge, das legt die Vermutung nahe — man kann es fast nicht 
anders deuten —, daß sie den gewünschten Anlaß suchen wollten, um 
nachher mit diesen schönen Vorbereitungen, die in der Kaserne getroffen 
waren, in Aktion treten zu können. Am Montag wurde nun bekannt, daß 
am Tage vorher der Belagerungszustand hatte verhängt werden sollen, und 
der Bevölkerung wurde nun erst klar, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte, 
und die Erregung stieg demgemäß weiter. Da kam die Demission des 
Obersten v. Reuter, und von diesem Moment an herrschte Ruhe in der 
Stadt; alles atmete auf, und es war wieder Hoffnung vorhanden, daß nun 
eine gerechte Untersuchung stattfinde, und daß auch die Bestrafung des Be- 
leidigers eintreten werde. Aber diese Hoffnung dauerte nicht lange, denn 
nach zwei Tagen kam der Oberst wieder. Es hieß. Herr v. Deimling sei 
mit ihm in Berlin gewesen. M. H., das hat auf die Bevölkerung keinen 
beruhigenden Eindruck gemacht; das können Sie sich leicht denken. Ich will 
den Gedanken, der die Bevölkerung da beschlichen hat, nicht weiter aus- 
spinnen; aber das hat sicher nicht dazu beigetragen, das Vertrauen zur 
Regierung zu stärken. Die Dinge nahmen nun ihren weiteren Fortgang,
	        
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