Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 3.) 381
allein die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Ordnung in Zabern
übernehme und daß sie vom Obersten v. Reuter erwarte, daß er seine Sol-
daten von der Straße weglasse. Aber am selben Abend gingen wieder Pa-
trouillen mit scharf geladenem Gewehr durch die Straßen von Zabern.
Das ungesetzliche Treiben hat bereits am Mittwoch vor dem 28. November
begonnen, als die Herren von einem Liebesmahl kamen; damals wurden
schon die ersten Verhaftungen von Leuten, die angeblich gelacht haben, vor-
genommen.
Abg. Peirotes (Sd.): Feststeht — und das ist unwidersprochen —,
daß Herr v. Reuter bereits seinen Abschied hatte; feststeht, daß er im
Triumphe zurückgekehrt ist; feststeht, daß er in Konflikt mit der Zivilver-
waltung geraten ist, daß er den Belagerungszustand über Zabern verhängt
wissen wollte, daß er bereits 45000 Patronen für die Zaberner Bevöl=
kerung, die vielleicht 8000 Menschen beträgt, bereitgehalten hatte. Die
elsaß-lothringischen Rekruten sind bestraft worden, wurden verhaftet, mußten
wieder freigelassen werden, wurden versetzt. Aehnlich erging es dem Feld-
webel, der elsässischer Abkunft ist. Und nun möchte ich meinerseits fest-
stellen, daß am Mittwoch den 26. November, also zwei Tage, bevor der
Kriegsminister hier seine Entschuldigungsrede gehalten hat, bereits Ungesetz-
lichkeiten passiert sind, sich bereits das Militär Polizeigewalt gegenüber der
Zivilverwaltung angemaßt hatte. Das ist eine ganz flagrante Gesetzes-
verletzung. Und am Freitag, zwei Tage später, stellt sich der Kriegsminister
hierher und hält, wie gesagt, seine Entschuldigungsrede, die selbstverständlich
den Herrn v. Forstner und diejenigen Leute, die ihm geistig verwandt sind,
ermutigen muß, ebenso vorzugehen, wic es am Freitag geschehen ist, wo
die flagrantesten Gesetzesverletzungen vorgekommen sind. Wenn v. Forstner
mit vier Mann, die je ein aufgepflanztes Seitengewehr tragen, sich Schoko-
lade kauft, so soll das kein Bild zum Lachen sein? Das ist ein Bild, wie
es sich der „Simplizissimus“ nicht besser denken und wünschen kann. Nun
hat die Bevölkerung in Elsaß-Lothringen einen etwas gallischen Einschlag,
und wir lachen über derartige Dinge und müssen darüber lachen, wenn
Leutnant v. Forstner Pralinees und Schokolade kauft und vier Mann mit
aufgepflanztem Bajonett hinterherlaufen müssen. Sollten wir denn einen
Browning nehmen und den Betreffenden niederschießen? Nein, die Be-
völkerung hat es vorgezogen, zu lachen, und mit Recht darüber gelacht.
Wenn nun Fortbildungsschüler, Bürschlein von 15, 16 Jahren — also
noch bedeutend jünger als der Königsleutnant v. Forstner —, wenn ihm
die einmal ein Wort nachgerufen haben, das ungefähr dem ähnelt, das
er anderen gegenüber angewandt hat, wenn sie ihm — sagen wir einmal —
„Bettbeschmutzer“ nachgerufen haben, ja du lieber Gott, dann hat er sich
doch das wirklich selbst zuzuschreiben. Ihm passierte ein derartiges Miß-
geschick im Manöver. Es ist eigentümlich, was diesem jungen Manne alles
schon für Dinge passiert sind in seinem kurzen Lebenslauf. Ihm passieren
derartige Dinge, und dann stellt er sich in der Instruktionsstunde hin und
sagt zu den Rekruten: „Auf die französische Fahne könnt ihr usw.“ Ich
meine: da braucht man sich nicht zu wundern, wenn der Spott der Straßen-
jungen sich dieser Asfäre bemächtigt hat. Und wenn sie ihm derartige
Dinge nachrufen, dann darf er doch aber nicht Jagd auf diese Leute
machen; denn kein Gesetz gibt es im Deutschen Reiche, das ihm das
Recht dazu gibt. Wenn er beleidigt ist, hat er sich an das Zivilgericht zu
wenden, hat einfach Klage zu erheben, wie wir alle, wenn wir beleidigt
werden, ebenso zum Zivilrichter gehen müssen. Er hat kein Recht, den Be-
lagerungszustand zu verhängen. Man hat kein Recht, die Bevölkerung
einfach mit Flinten und Bajonetten zu bedrohen. Das ist aber tatsächlich