638 Türkei. (September 18.—Oktober 10.)
18. September. (Konstantinopel.) Die Delegierten unter-
zeichnen die Protokolle über die neue türkisch-bulgarische Grenze,
die Nationalitätenfrage und die Rechte der Mohammedaner im
bulgarischen Gebiet.
29. September. (Konstantinopel.) Der türkisch-bulgarische
Friedensvertrag wurde abends 7 Uhr unterzeichnet.
Er enthält 14 Artikel. Artikel 1 besagt: Die Friedensverhandlungen
und die Wiederaufnahme der türkisch-bulgarischen Beziehungen geschahen
auf gegenseitigen Wunsch. Artikel 2 enthält die Feststellung der neuen
türkisch-bulgarischen Grenze. Artikel 3 erörtert die Nationalitätenfrage:;
den Mohammedanern des von Bulgarien besetzten Gebiets wird eine vier-
jährige Frist gegeben, nach der sie entweder das bulgarische Gebiet verlassen
oder die bulgarische Nationalität annehmen müssen. Während dieser Frist
sind die Mohammedaner vom Militärdienst befreit. Artikel 4 legt den
Schutz der mohammedanischen Rechte im bulgarischen Gebiet fest: die
Mohammedaner sollen dieselben Rechte wie die Bulgaren genießen. Artikel 5
regelt den Austausch der Kriegsgefangenen; dabei wird bemerkt, daß die
für die Offiziere gemachten Auslagen bezahlt werden. Ueber die Ent-
schädigung für Auslagen für Soldaten soll das Haager Schiedsgericht ent-
scheiden. Artikel 6 behandelt die Amnestie für das an Bulgarien fallende
Gebiet. Artikel 7 besagt: Bulgarien könne das neue ihm zufallende Gebiet
erst zwei Monate nach Unterzeichnung des Friedensvertrages besetzen. Im
Artilel 8 wird besagt, das neue Abkommen habe vom Tage der Unter-
zeichnung des Friedensvertrages seine Gültigkeit. Artikel 9 besagt: der
Londoner Vertrag werde mit Ausnahme der hier abgeänderten Paragraphen
für gültig anerkannt. Artikel 10 erklärt, Bulgarien müsse die Einwohner
des von der Türkei wiederbesetzten Gebiets entschädigen. Die übrigen vier
Artikel behandeln mohammedanische Religionsfragen, die Wakufs= sowie
die Gemeinde= und Schulfragen.
30. September. (Albanien.) Essad Pascha telegraphierte dem
türkischen Kriegsminister, daß alle über ihn (Essad) umlaufenden
Gerüchte falsch seien, er habe seit dem Fall Skutaris nie aufgehört,
sich als osmanischer General zu fühlen und für die Autonomie
Albaniens unter der Souveränität des Sultans zu wirken.
30. September. (Konstantinopel.) Durch Unwetter am
oberen Bosporus und am Goldenen Horn hat auch das Palais
der deutschen Botschaft in Therapia stark gelitten. Die Bosporus-
ortschaften Kanak, Mesarburu, Sahriar sind teilweise zerstört, in
Kassim Pascha sind 250 Häuser weggeschwemmt. Die Zahl der
Toten schätzt man auf einige Hundert.
9. Oktober. Durch Erlaß des Sultans wird die Demobili-
sierung angeordnet.
10. Oktober. (Konstantinopel.) Leutnant Reschid ist wegen
Fahnenflucht während des thrazischen Feldzuges auf dem Platz vor
dem Kriegsministerium erschossen worden.