102 Vie õterreiqchisch-angarist Monarchie und die Rachfelgelaaten. (Nov. 8. -11.)
dem Präsidenten der Ver. St. von Nordamerika Wilson und der Regierung
Deutschösterreichs eingesetzt. Die Depesche ist aus Bern, 7. d. M., datiert
und lautet: „Der Präsident der Ver. St. richtete an die konstituierenden
Völkerschaften Oesterreich-Ungarns, denen die Befreiung von dem Joche des
österr.-ung. Reiches nun gelungen ist, den folgenden Aufruf: „Darf ich als
Wortführer der Massen Eurer aufrichtigsten Freunde sagen, daß die ernst-
hafteste Hoffnung und Erwartung aller Freunde der Freiheit an jedem Ort
und insbesondere jener ist, denen gegenwärtig die unmittelbare Pflicht ob-
liegt, den befreiten Völkern der Welt beizustehen in dem Werke des Aus-
baues ihrer wahrhaften Freiheit, daß sowohl die Führer als auch die Be-
völkerung der unlängst befreiten Länder danach trachten, die begonnenen
Veränderungen in Ordnung mit Mäßigung, mit Milde sowohl als mit
Festigkeit durchzuführen und Gewalttätigkeit und Grausamkeit jeder Art
zurückzuhalten und zu verhindern, auf daß keinerlei Unmenschlichkeiten die
Annalen des neuen Zeitalters einer vollkommeneren Ordnung beflecken.
Sie wissen, daß solche Vorkommnisse die großen Dinge, die wir alle er-
streben, nur verzögern könnten, und sie richten daher vertrauensvoll an Sie
den Appell: Sie möchten alle die Mächte binden, welche die Fortschritte
der Freiheit mit Verzögerung bedrohen oder in Mißkredit bringen könnten.
(Gezeichnet) Woodrow Wilson." Comittee on public information of the
United Staates of America, Bern, Switzerland."“
Auch bei den Regierungsstellen in Prag und Budapest sind gleich-
lautende Telegramme Wilsons eingelangt.
9. Nov. (Ungarn.) Wechsel des Kriegsministers.
Der bish. Kriegsminister Linder wird zum Minister ohne Portefeuille
ernannt und als außerordentlicher Gesandter der Volksregierung mit den
Vorbereitungsarbeiten der Friedensverhandlungen im Auslande betraut.
An Stelle Linders ernennt der Ministerrat den Oberstleutnant des General=
stabes Albert Bartha zum Kriegsminister. L. trat für die sofortige und
völlige Abrüstung der gesamten Wehrmacht ein.
10. Nov. (Südslawien.) Verhandlungen mit Serbien in Genf
betr. die Anschlußfrage. (S. Serbien.)
11. Nov. Verzichtleistung Kaiser Karls auf die Führung der
Staatsgeschäfte.
« Kaiser Karl erläßt folgende Kundgebung: Seit Meiner Thronbestei-
gung war Ich unablässig bemüht, Meine Völker aus den Schrecknissen des
Krieges herauszuführen, an dessen Ausbruch Ich keinerlei Schuld trage.
Ich habe nicht gezögert, das verfassungsmäßige Leben wiederherzustellen,
und habe den Völkern den Weg zu ihrer selbständigen staatlichen Entwick-
lung eröffnet. Nach wie vor von unwandelbarer Liebe für alle Meine
Völker erfüllt, will Ich ihrer freien Entfaltung Meine Person nicht als
Hindernis entgegenstellen. Im voraus erkenne Ich die Entscheidung an,
die Deutschösterreich über seine künftige Staatsform trifft. Das Volk hat
durch seine Vertreter die Regierung übernommen. Ich verzichte auf jeden
Anteil an den Staatsgeschäften. Gleichzeitig enthebe Ich Meine österr.
Regierung ihres Amtes. Möge das Volk von Deutschösterreich in Eintracht
und Versöhnlichkeit die Neuordnung schaffen und befestigen. Das Glück
Meiner Völker war von Anbeginn das Ziel Meiner heißesten Wünsche.
Nur der innere Friede kann die Wunden dieses Krieges heilen. Karl m. p.
Lammasch m. p.
Die kaiserliche Familie siedelt am gleichen Tage von Schönbrunn nach
Eckartsau über.