Die ãsterreiqhisch·nngarise Monarqhie unbd die Nachfolzestanten. (Nov. 11.) 103
Durch die Verzichtleistung hat Kaiser Karl nur die unvermeidliche
Folgerung aus der seit dem 30. Okt. bestehenden Sachlage gezogen. Ob-
wohl bei der Konstituierung Deutschösterreichs das Wort Republik nicht
offiziell ausgesprochen wurde, konnte angesichts der allgemeinen Stimmung
und der Vorgänge in Deutschland darüber kein Zweifel bestehen, daß sich
der Neubau des Staates auf republikanischer Grundlage vollziehen werde.
Auch persönlich war das Kaiserpaar durch seine Hinneigung zur Entente
in Wien unmöglich geworden. Daß sich der Verzicht des Kaisers solange
verzögerte, soll darin seinen Grund gehabt haben, daß man in gewissen
klerikalen Hofkreisen hoffte, mit Hilfe der heranrückenden Ententetruppen
die Dynastie retten zu können. Nach dem Sturz des deutschen Kaisertums
war aber auch in Wien die Monarchie unhaltbar geworden.
Die Wiener „Arbeiterztg." schrieb am 10.: Darüber, daß wir in
Deutschösterreich in eine monarchistische Restauration unter keinen Um-
ständen willigen werden, braucht es wohl nicht vieler Worte. Alle Kronen
Europas werden bald im Staube liegen, und da sollen wir in Deutsch-
österreich eine Dynastie, die alle übrigen Nationen in dem alten Oesterreich
verschmähen, die von allen abgelehnt wird, noch einmal auf unseren Rücken
nehmen und unseren jungen Staat mit der Last dieser Erbschaft beschweren?
Nimmermehr! Deutschösterreich ist schon heute eine Republik, war es von
Anbeginn an, und der Kaiser des alten Oesterreich hat unserm Deutsch-
österreich kein Wort zu sagen. Aber der Umstand, daß dieser Titel, wenn
auch ohne Mittel, existiert, verwirrt die Menschen, läßt der Spiegelfechterei,
die von den Schwarz-Gelben planmäßig organisiert wird, noch immer
Raum und läßt auch die Hoffnung auf eine monarchistische Restauration
zu. Dem muß ein Ende gemacht werden. Kaiser Karl mußf sich entschließen,
aus der Sachlage, wie sie ja schon längst feststeht, die vollen Konsequenzen
zu ziehen — sofort abzudanken. Mit der Sinnlosigkeit eines Kaisers ohne
Kaiserreich ist sofort Schluß zu machen.
11. Nov. (Deutschösterreich.) Gesetz über die Staats= und
Regierungsform.
Der Staatsrat beschließt, der am 12. Nov. zusammentretenden Prov.
Nationalversammlung den folgenden Gesetzesantrag über die
Staats- und Regierungsform von Deutschösterreich zur Beschluß-
fassung vorzulegen: Art. 1. Deutschösterreich ist eine demokratische Republik.
Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volk eingesetzt. Art. 2. Deutsch-
österreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik. Besondere
Gesetze regeln die Teilnahme Deutschösterreichs an der Gesetzgebung und
Verwaltung der deutschen Republik sowie die Ausdehnung des Geltungs-
bereiches von Gesetzen und Einrichtungen der deutschen Republik auf Deutsch-
österreich. Art. 3. Alle Rechte, welche nach der Verfassung der im Reichs-
rate vertretenen Königreiche und Länder dem Kaiser zustanden, gehen
einstweilen, bis die konstituierende Nationalversammlung die endgültige
Verfassung festgelegt hat, auf den deutschösterr. Staatsrat über. Art. 4. Die
k. und k. Ministerien und die k. k. Ministerien werden aufgelöst. Ihre Aufträge
und Vollmachten auf dem Staatsgebiet von Deutschösterreich gehen auf die
deutschösterr. Staatsämter über. Den anderen Nationalstaaten, die auf dem
Boden der österr.-ung. Monarchie entstanden sind, bleiben ihre Ansprüche an
die erwähnten Ministerien, wie auf das von diesen verwaltete Staatsvermögen.
gewahrt. Die Liquidierung dieser Ansprüche ist völkerrechtlichen Verein-
barungen durch Kommissionen vorbehalten, die aus Bevollmächtigten aller
beteiligten Nationalregierungen zu bilden sind. Bis zum Zusammentritt
dieser Kommissionen haben die deutschösterr. Staatsämter das Gemeinschafts-