Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

die österreichisch- ungarische Monartchie und die Raijfelgestaaten. (Nov. 13. 14.) 107 
Länder, Kreise und Gaue des Staatsgebietes zur Kenntnis nimmt und 
diese Gebiete unter den Schutz der ganzen Nation stellt, angenommen. 
Am gleichen Tage tritt das österr. Abgeordnetenhaus zu seiner 
letzten Sitzung zusammen. Anwesend sind nur deutschösterr. Abg. Nach 
einer Ansprache des Präsidenten Dr. Groß, worin er erklärt, daß das Haus 
nach der Bildung der verschiedenen Nationalversammlungen keine Aufgaben 
mehr zu erfüllen habe, wird sein Antrag, die Sitzung aufzuheben und 
keinen Tag für die nächste Sitzung zu bestimmen, da eine Selbstauflösung 
des Hauses nach der Verfassung nicht möglich sei, angenommen. 
13. Nov. (Tschechoslowakei.) Letzte Sitzung des tschech. Na- 
tionalausschusses. 
Es wird beschlossen, eine Regierung mit 15 Ressorts zu errichten. Die 
Hauptstadt Prag bekommt einen neuen Verwaltungskörper, und die bisherige 
Landesverwaltungskommission wird aufgelöst. Die achtstündige Arbeitsdauer 
wird im ganzen Staate gesetzlich vorgeschrieben. Angenommen wird eine 
Gesetzesvorlage, auf Grund deren annulliert sind: Adelsstand, Orden und 
Titel, insofern sie nicht aus der Beschäftigung herkommen. Ferner werden 
die Mitglieder der neuen Regierung (s. u.) bestimmt. 
13. Nov. (Ungarn.) Verzichtleistung des Königs auf die Führung 
der Staatsgeschäfte. 
Der Präsident des Magnatenhauses Julius Wlassics übergibt (am 14.) 
dem Ministerpräsidenten Grafen Karolyi folgendes kgl. Handschreiben: 
Seit Meiner Thronbesteigung war Ich stets bestrebt, Meine Völker ehe- 
baldigst von den Schrecknissen des Krieges zu befreien, an dessen Entstehen 
Ich keinen Anteil hatte. Ich will nicht, daß Meine Person der Entwicklung 
der ung. Nation im Wege stehe, für welche Ich von unabänderlicher Liebe 
durchdrungen bin. Infolgedessen verzichte Ich auf jeden Anteil an der 
Führung der Staatsgeschäfte und anerkenne schon im voraus jene Ent- 
scheidung, mit welcher Ungarn seine zukünftige Staatsform feststellen wird. 
Gegeben zu Eckartsau, am 13. Nov. 1918. Karl m. p. 
13. Nov. (Ungarn.) Unterzeichnung des Waffenstillstands- 
vertrages mit der Entente in Belgrad. 
Näheres s. in dem besonderen Abschnitt am Schluß des Kalendariums. 
14. Nov. (Deutschösterreich.) Kundgebung an Wilson. 
Auf Beschluß des Staatsrates ergeht folgendes Schreiben an 
Präsident Wilson: Herr Präsident! Die Prov. Nationalversammlung Deutsch- 
österreichs hat am 12. Nov. 1918 einstimmig beschlossen, Deutschösterreich die 
Verfassung einer demokratischen Republik zu geben, die ein Bestandteil der 
großen Deutschen Republik werden soll. Das deutsche Volk in Oesterreich 
hat damit, sein Selbstbestimmungsrecht ausübend, kundgetan, daß es fortan 
keiner Staatsgewalt unterworfen sein will als der, die es sich selbst einsetzt, 
und daß es die enge staatsrechtliche Verbindung mit Deutschland wieder 
herstellen will, die vor 52 Jahren durch das Schwert zerrissen worden ist. 
Wir hoffen, Herr Präsident, daß Sie, den von Ihnen so oft ausgesprochenen 
Grundsätzen entsprechend, diese Bestrebungen des deutschen Volkes in Oester- 
reich unterstützen werden. Das Recht der Polen, der Italiener, der Süd- 
slawen, die bisher dem österr. Staat angehört haben, sich mit ihren National- 
staaten außerhalb Oesterreichs zu vereinigen, haben Sie, Herr Präsident, 
verfochten; wir sind überzeugt, daß Sie dasselbe Recht auch dem deutschen 
Volk in Oesterreich zuerkennen werden. Wir bitten Sie, Herr Präsident,
	        
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