Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Die sterreichisc-ungarische Menarchie und die Nachfolzestaaten. (Dez. 16. 18.) 119 
böhmens. Am 3. wird Dux, am 9. Marienbad, am 11. Teplitz, am 12. 
Karlsbad, am 13. Tetschen-Bodenbach, am 16. Reichenberg, Eger und Ko- 
motau besetzt. Die Besetzung geht ohne größere Zwischenfälle vor sich, da 
die deutschböhm. Führer überall vor Waffenwiderstand gewarnt haben. 
Die Landesregierung und die Landesversammlung Deutsch- 
böhmens verlegen vor der Besetzung Reichenbergs ihren Sitz nach Wien. 
Halbamtlich wird der Presse hierzu mitgeteilt: Selbstverständlich kann eine 
technische Verwaltung im Hinblick auf die Unterbindung des Bahn- und Post- 
verkehrs weder von Wien noch von einer anderen Stadt aus erfolgen. Die 
Verlegung des Sitzes bedeutet daher nur die Aufrechterhaltung des An- 
spruches Deutschböhmens auf seine Selbständigkeit. Die Besetzung des deutsch- 
böhm. Gebietes durch tschech. Truppen beinhaltet praktisch die Herbeiführung 
des Kriegszustandes, den abzuwenden Deutschböhmen nicht imstande ist. Es 
ist selbstverständlich, daß die Herbeiführung dieses tatsächlichen Zustandes 
an den Rechtsansprüchen Deutschböhmens nichts ändern kann. 
16. Dez. (Ungarn.) Internierung des GF M.s v Mackensen und 
seiner Armee. « 
GFM. v. Mackensen, der nach Budapest gekommen ist, um mit der 
ung. Regierung wegen des Abtransportes seiner Armee (s. S. 110 f.) Rück- 
sprache zu nehmen, wird auf Wunsch des franz. Kommandos in Ungarn 
mit seiner Armee interniert. M. legt gegen diese Vergewaltigung Verwahrung 
ein, ist jedoch gezwungen, sich der Gewalt zu fügen. Abends ordnet er die 
Waffenstreckung seiner Armee an unter der Bedingung, daß die deutsche Re- 
gierung diesen Befehl nachträglich genehmigen werde. 
Am 31. Dez. wird das Schloß des Grafen Ladislaus Karolyi in 
Foth, das Mackensen als Aufenthaltsort angewiesen worden war, von franz. 
Truppen besetzt und M. unter franz. Bewachung gestellt, da das franz. 
Oberkommando den Verdacht hegt, M. wolle Ungarn verlassen. M. pro- 
testiert dagegen, da er sich der ung. Regierung zur Verfügung gestellt habe. 
Der Protest wird jedoch von dem kommand. Offizier zurückgewiesen. 
Auch die ung. Regierung überreicht wegen der Internierung M.8 
durch die Franzosen dem Oberstleutnant Vyx eine Protestnote, die dieser 
nicht annimmt; er erklärt aber vor dem Ministerpräsidenten und dem Kriegs- 
minister, M. eine dessen Rang entsprechende Behandlung zuteil werden zu lassen. 
18. Dez. (Deutschösterreich.) Prov. Nationalversammlung: 
Wahlgesetz. 
Die Gesetzentwürfe betr. die Einberufung der konstituierenden 
Nationalversammlung und betr. die Wahlordnung für die konsti- 
tuierende Nationalversammlung werden in zweiter und dritter Lesung an- 
genommen. 
Das Gesetz betr. die Einberufung der k. N. bestimmt, daß die k. 
N. für zwei Jahre gewählt und 16 Tage nach dem Wahltage nach Wien 
einberufen wird. Die prov. Nat. läuft am Wahltage ab. Zur k. N. werden 
im geschlossenen Staatsgebiete 250 und in den Einschlußgebieten 5 Abg. 
auf Grund des gleichen Wahlrechtes aller Staatsbürger ohne Unterschied 
des Geschlechtes, die vor dem 1. Jan. 1919 das 20. Lebensjahr überschritten. 
haben, nach dem System der Verhältniswahl gewählt. Das Gesetz, betr. 
die Wahlordnung für die k. N. stimmt in ihren grundsätzlichen Bestim- 
mungen mit dem Wahlgesetz für die deutsche Nat. (s. Tl. 1 S. 529 ff.) überein. 
Die Zahl der Wahlkreise beträgt 35. Dazu kommen die drei Einschluß- 
gebiete (Brünn und Umgebung, Olmütz und Umgebung, Sprachinsel Iglau- 
Stecken). Wählbar ist ohne Unterschied des Geschlechtes jeder wahlberech-
	        
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