Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Bie ätterreiczistzzungarische Monarchie und die Nachsolzessaten. (Jan. 24.—25.) 9 
der Oeffentlichkeit nicht bestehen können, so habe ich nichts dagegen ein- 
zuwenden, daß dieses Prinzip verwirklicht werde. Wie die Durchführung 
dieses Prinzips und seiner Ueberwachung gedacht sind, weiß ich allerdings 
nicht. Wenn die Regierungen zweier Staaten einig sind, werden sie immer 
eine geheime Abmachung schließen können, ohne daß jemand etwas davon 
erfährt. Aber das sind Nebensachen. Ich klebe nicht an Formeln, und an 
einer mehr oder weniger formalen Frage wird von mir aus niemals ein 
vernünftiges Arrangement scheitern. Also über Punkt 1 läßt sich sprechen. 
Punkt 2 betrifft die Freiheit der Meere. Der Herr Präsident hat bei 
diesem Postulate allen aus dem Herzen gesprochen, und ich unterschreibe 
diesen Wunsch Amerikas voll und ganz, insbesondere deshalb, weil der 
Herr Präsident die Klausel hinzufügt: „Outside territorial waters“, das. 
heißt also, die Freiheit des offenen Meeres, aber natürlich kein Gewalt- 
eingriff in die diesbezüglichen Hoheitsrechte unseres treuen türkischen Bundes- 
genossen. Ihr Standpunkt in dieser Frage wird der unsere sein. 
Punkt 3, welcher sich definitiv gegen einen zukünftigen Wirtschaftskrieg 
ausspricht, ist so richtig, so vernünftig, so oft von uns verlangt worden, 
daß ich dem ebenfalls nichts hinzuzufügen habe. 
Punkt 4, welcher die allgemeine Abrüstung verlangt, erklärt in einer 
besonders guten, klaren Stilisierung die Notwendigkeit, die freie Rüstungs- 
konkurrenz nach diesem Krieg auf jenes Maß herunterzudrücken, welches 
die interne Sicherheit der Staaten erfordert. Herr Wilson spricht dies klipp 
und klar aus. Ich habe mir gestattet, den gleichen Gedanken vor einigen 
Monaten in meiner Budapester Rede zu entwickeln, er bildet einen Teil 
meines politischen Glaubensbekenntnisses, und eine jede Stimme, welche sich 
in gleichem Sinne erhebt, begrüße ich dankbarst. 
Was den russischen Passus anbelangt, so beweisen wir bereits mit 
Taten, daß wir bestrebt sind, ein freundnachbarliches Verhältnis zu schaffen. 
Was Italien, Serbien, Rumänien und Montenegro betrifft, so kann ich 
nur den Standpunkt wiederholen, den ich bereits in der ungarischen De- 
legation zum Ausdruck gebracht habe. Ich weigere mich, als Assekuranz. 
für feindliche Kriegsabenteuer zu figurieren. Ich weigere mich, unseren 
Feinden, welche hartnäckig auf dem Standpunkte „des Kampfes bis zum 
Endsiege“" bleiben, einseitig Konzessionen zu machen, welche der Monarchie 
dauernd präjudizieren und den Feinden den unermeßlichen Vorteil geben, 
den Krieg relativ ohne Risiko ins Endlose weiterschlepppen zu können. (Bei- 
fall.) Möge Herr Wilson den großen Einfluß, den er zweifellos auf alle 
seine Bundesgenossen ausübt, dazu benützen, daß sie ihrerseits die Be- 
dingungen erklären, unter denen sie zu sprechen bereit sind, so wird er sich 
das unermeßliche Verdienst erworben haben, die allgemeinen Friedensver- 
handlungen ins Leben gesetzt zu haben. Ebenso offen und ebenso frei, wie 
ich hier Herrn Wilson antworte, werde ich mit allen jenen sprechen, welche 
auch selbst sprechen wollen, aber es ist ganz selbstverständlich, daß die Zeit 
und die Fortdauer des Krieges nicht ohne Einfluß auf die diesbezüglichen 
Verhältnisse bleiben können. Ich habe dies auch schon einmal gesagt, Italien. 
ist hierfür ein sprechendes Beispiel. Italien hat vor dem Kriege die Ge- 
legenheit gehabt, ohne einen Schuß abzutun, einen großen territorialen Er- 
werb zu machen. Es hat dies abgelehnt, es ist in diesen Krieg eingetreten, 
es hat Hunderttausende von Toten, Milliarden an Kriegskosten und zer- 
störten Werten verloren, es hat Not und Elend über die eigene Bevölkerung 
gebracht, und dies alles nur, um einen Vorteil, den es einmal haben konnte, 
für immer zu verlieren. 
Was schließlich den Punkt 13 anbelangt, so ist es ein offenes Ge- 
heimnis, daß wir Anhänger des Gedankéns sind, es möge „ein unabhängiger
	        
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