Jeriugal. (Olt. 17. - Dez. 23.) 129
Die port. republ. Partei ist davon überzeugt, daß das Land diese Wider-
sprüche zwischen den Worten und den Taten der Dezembristen schon genügend
erkannt hat und überläßt es der Einsicht aller Portugiesen, abzuschätzen,
welche Folgen aus dieser Handlungsweise für die Nation entstehen können.
Das Land verlangt Rechenschaft; dabei hofft die port. republ. Partei, daß
diese Rechenschaft unter Umständen eingefordert werde, die der Mehrheit
zum Siege verhelfen.
17. Okt. Neubildung der Regierung.
Es wird ein neues Ministerium gebildet, dem angehören: Ferrara:
Inneres, Costa: Justiz, Barbosa: Finanzen, Mensosaga: Krieg, Monj:
Auswärtiges, Magaboes: Oeffentlicher Unterricht, Bessa: Oeffentliche
Arbeiten, Castro: Marine.
Die neue Regierung ist aus einem Uebereinkommen zwischen dem
Präsidenten Paes und dem Führer der republ. Zentrumspartei Egas Monj
hervorgegangen. Monj unterstützt die Regierung unter der Bedingung, daß
das sog. Präsidialsystem abgeschafft wird. Die Blätter bezeichnen dieses
parlamentarische Ministerium als einen radikalen Wechsel der bisherigen
Politik. Die parlamentarische Verfassung habe über das sog. Präsidialsystem
den Sieg davongetragen. Der Zusammentritt des Parlaments wird auf
den 4. Nov. festgesetzt, wird jedoch anf. Nov. auf unbestimmte Zeit verschoben.
18. Nov. Ausbruch des allgemeinen Generalstreiks.
14. Dez. Ermordung des Präsidenten S. Paes.
Auf den Präsidenten der Republik Sidonio Paes wird kurz vor
Mitternacht ein Revolverattentat verübt, als er den Eingang des Bahnhofes
in Lissabon betritt, um nach Oporto zu reisen. Er wird schwer verletzt und
sofort in ein Spital verbracht, wo er um 3 Uhr verscheidet. Der von der
Polizei schwer verwundete Mörder sowie ein Mitschuldiger werden verhaftet.
Nach einer Meldung der „Central News“ heißt der Mörder Josepe Rodriguez
de Aro und ist ein Handlungsreisender. Die Motive für das Attentat
bleiben unklar. Nach Blättermeldungen soll der Mörder der jungrepubl.
Vereinigung angehören. Sicher ist, daß der auf rechtsrepubl. und ehemals
monarchistische Elemente sich stützende Präsident in den Parteien der Linken
— der Führer der Unionisten Brito Camacho wird nach dem Attentat sofort
„unter polizeilichen Schutz“ gestellt — eine starke Gegnerschaft hatte. Somit
handelt es sich wahrscheinlich um die Tat eines Fanatikers, dem die Politik
des Präsidenten nicht radikal genug war. (Paes war seit dem 5. Dez. 1917
(s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 228] der Chef der Regierung, seit dem 28. April
(s. o.] gewählter Präsident.)
Die beiden Kammern werden sofort zusammengerufen und das „Amts-
latt“ veröffentlicht eine Proklamation, daß das Kabinett unter dem Vorsitz des
bish. Marineministers Canto y Castro die Regierung weiterführen werde.
16. Dez. (Kongreß.) Neuwahl des Präsidenten.
Der Kongreß wählt mit 137 Stimmen den Admiral Canto y Castro
zum vorläufigen Präsidenten der Republik. Die Wahl des endgültigen
Präsidenten wird nach Annahme des gegenwärtig in Ausarbeitung be-
griffenen neuen Verfassungsgesetzes vorgenommen werden.
23. Dez. Neubildung des Kabinetts.
Das Kabinett wird in folgender Zusammensetzung neu gebildet: Vorsitz
und Inneres: Tamagnini Barbosa, Finanzen: Malheiro Reimao, Krieg:
Cortereal, Marine: Souza Faro, Justiz: Affonso Mello, Handel und
provisorisch Aeußeres: Azevedo Reves, Ackerbau: Fernandez Oliveira,
Europäischer Geschichtskalender. LIXe 9