Spanien. (Mai 22.—Juli 7.) 135
Der Vertreter des Wiener „k. k. Tel.-Korr.-Bur.“ meldet aus Madrid:
Die unter der Führung des langjährigen Cortesmitgliedes Pablo Iglesias
stehenden soz. Abgeordneten erklärten sich von den republ. Parteigruppen
unabhängig und werden als selbständige parlamentarische Minorität künftig
zu allen politischen Fragen Stellung nehmen.
Gleichzeitig wird gemeldet, daß die neue Haus- und Geschäfts-
ordnung von beiden Kammern endgültig angenommen wurde. Um eine
fruchtbarere Tätigkeit des Kongresses zu ermöglichen, sind darin verschiedene
Bestimmungen aufgestellt, die, ohne die Redefreiheit zu beschränken, doch
eine Durchberatung der Vorlagen sichern sollen.
2. Mai. (Kammer.) Augustunruhen.
Die Kammer beginnt die Erörterung der Augustereignisse des
Vorjahres (s. Gesch Kal. 1917 Tl. 2 S. 243). Dabei ergreifen die inzwischen
begnadigten soz. Führer jener Bewegung die Gelegenheit, sich als Opfer
von Uebergriffen hinzustellen und die damalige Regierung zu beschuldigen,
durch verkehrte Maßnahmen jene Ereignisse hervorgerufsen zu haben. In
seiner Erwiderung erklärt der damalige Ministerpräsident Dato, gegen-
wärtig Minister des Aeußern, daß der Charakter der Bewegung revolu-
tionär gewesen sei. Die Regierung habe die Pflicht gehabt, die bedrohten
öffentlichen Einrichtungen zu schützen. Natürlich habe sich die Armee dabei
auf die Seite der Ordnung und des Gesetzes gestellt. Er bedauere, daß die
durch die Amnestie befreiten Sozialisten unter den gegenwärtigen schwie-
rigen Umständen die vergangenen Ereignisse wieder hervorzerrten und so
den Haß neu anfachten.
24. Mai. Einführung der Goldwährung.
Der Finanzminister legt den Cortes einen Gesetzentwurf vor, der die
Einführung der Goldwährung ab 1. Juli 1919 mit obligatorischer Gold-
zahlung über 50 Pesetas beantragt. Die gegenwärtig umlaufenden Bank-
noten sollen zurückgezogen und die äußere Schuld getilgt und durch eine
innere ersetzt werden.
7. Juni. Das „Amtsblatt“ veröffentlicht ein Dekret betr. die
Beschlagnahme der span. Handelsflotte.
Ihr Betrieb bleibt ausschließlich der Verfrachtung dem Volkswohle
unentbehrlicher Produkte vorbehalten.
23. Juni. Das „Amtsblatt“ veröffentlicht ein kgl. Dekret, das
den 12. Okt., den Jahrestag der Entdeckung Amerikas, zum natio-
nalen Feiertag erklärt.
Er dient der Verherrlichung des allspan. Gedankens. (S. auch Gesch Kal.
1917 Tl. 2 S. 930 f.)
25. Juni. (Kammer.) Das Haus nimmt den ersten Artitel
der Militärreformvorlage mit 75 gegen 10 Stimmen an.
28. Juni. Der König unterzeichnet die Militärreformvorlage.
Der Entwurf (s. S. 132 f.) hat im Laufe der parlament. Beratung nur
geringfügige Aenderungen erfahren. Zur Durchführung wurde ein Kredit
von über 1300 Mill. Pesetas bewilligt.
7. Juli. (Kammer.) Spionagegesetz.
Nach. stürmischer Debatte nimmt das Haus das von der Regierung
vorgelegte Spionagegesetz kraft der neuen Geschäftsordnung ohne eigent-