Greßbritannien. (Jan. 8.) 147
und es ist unvermeidlich, daß jene Länder, die den Markt für Rohprodukte
beherrschen, in erster Linie sich selbst und ihren Freunden werden helfen
wollen. Abgesehen davon werden die Friedensvereinbarungen, wie sie auch
ausfallen mögen, sich nur den Umständen anpassen, unter denen sie gemacht
wurden, und je nachdem sich diese Umstände ändern, werden auch Aende-
rungen in den Vereinbarungen hervorgerufen werden. Solange die Mög-
lichkeit eines Streites zwischen den Völkern weiterbesteht, das heißt, solange
Männer und Frauen von Leidenschaften und Ehrgeiz beherrscht werden
und der Krieg das einzige Mittel ist, Streitigkeiten zu schlichten, müssen
die Nationen unter der Last leben, nicht nur von Zeit zu Zeit in einen
Krieg einzutreten, sondern auch unter dem Zwange, stets für seinen mög-
lichen Ausbruch vorbereitet zu sein. Das erdrückende Gewicht der modernen
Rüstungen, der wachsende Schaden des militärischen Dienstzwanges, die
große Vergendung von Reichtum und Arbeit, die die Vorbereitung für den
Krieg mit sich bringt, sind schwarze Punkie in unserer Zivilisation, deren
sich jeder denkende Mensch schämen muß. Aus diesen und ähnlichen Gründen
sind wir sicher, daß ein großer Versuch gemacht werden muß, durch Er-
richtung einer internationalen Organisation eine Alternative für
den Krieg als Mittel, internationale Streitigkeiten zu schlichten, zu schaffen.
Schließlich ist der Krieg ein Ueberbleibsel des Barbarismus, und ebenso
wie das Gesetz auf die brutale Gewalt als Mittel, Streitigkeiten zu schlichten,
gefolgt ist, ist es letzten Endes bestimmt, die Stelle des Krieges in der
Schlichtung von Zank zwischen den Nationen einzunehmen. Wenn wir ge-
fragt werden, wofür wir kämpfen, so können wir sagen: JFür einen ge-
rechten, dauernden Frieden, und wir glauben, daß, bevor ein solcher
erhofft werden kann, die folgenden Bedingungen erfüllt werden müssen:
Erstens muß die Heiligkeit von Verträgen aufgerichtet werden. Zweitens
muß eine Schlichtung von Gebietsfragen auf der Grundlage des Selbst-
bestimmungsrechtes oder der Zustimmung der regierten Völker gesichert
werden, und schließlich müssen wir durch Schaffung einer internationalen
Organisation suchen, die Lasten der Rüstungen zu beschränken und die
Wahrscheinlichkeit eines Krieges zu vermindern. Unter diesen Bedingungen
würde das britische Reich einen Frieden willkommen heißen, und um diese
Bedingungen sicherzustellen, sind seine Völker bereit, noch größere Opfer zu
bringen, als sie bisher gebracht haben.
Die Rede Lloyd Georges, die eine Erwiderung auf die Erklärungen
der Mittelmächte in Brest-Litowsk darstellt, wird fast von allen engl. Blät-
tern als eine willkommene deutliche und endgültige Erklärung über die
Mindestforderungen Großbritanniens warm begrüßt. Nur die kons. „Mor-
ning Post" ist mit der Rede nicht zufrieden und faßt sie als einen
Triumph der Radikalen und der Arbeiterpartei auf, deren Politik über
die Friedensziele angeblich gänzlich von der Regierung übernommen worden
sei. In einer Besprechung der Rede sagt der Führer der Arbeiterpartei
A. Henderson, die Arbeiterschaft heiße die Kriegszielerklärung der Re-
gierung insofern willkommen, als sie eine klare Feststellung über die Ziele
sei, für deren Verwirklichung England den Krieg fortsetze.
8. Jan. Earl Reading wird zum britischen Oberkommissar in
den Ver. St. ernannt.
Z Er wird die Geschäfte der britischen Botschaft und der Kriegsmission
in Washington übernehmen. Viscount Northceliffe bleibt Leiter der briti-
schen Mission in den Ver. St. mit dem Sitz in London. Earl Reading ge-
hört zum engsten Freundeskreise des Premierministers. Der bish. engl. Bot-
schafter in Washington, Sir Cecil Spring-Rice, ist zurückgetreten.
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