Großbritannien. (Febr. 27.) 165
Das nächste, was sie zu tun hat, ist, daß sie sagt: „Da ich gesündigt habe,
so ersetze ich den Schaden, ich gebe zurück, was ich nie hätte nehmen
sollen, und gebe es natürlich bedingungslos zurück.“ Was sagt nun der
Staatsmann, der anscheinend die uneingeschränkte Billigung Holts findet?
Er sagt: „Wir stellen Belgien wieder her. Wir wollen dort nicht bleiben,
aber wir müssen dafür sorgen, daß es nicht ein Aufmarschgebiet für feind-
liche Machenschaften wird.“ Wann war Belgien ein Aufmarschgebiet für
feindliche Machenschaften? Warum nimmt Deutschland an, daß es ein
solches werden würde? Belgien war das Opfer, nicht der Urheber dieser
Verbrechen. Weshalb soll es bestraft werden, da Deutschland die Schuld
hatte? Welcherlei Bedingungen hat Hertling im Auge, wenn er sagt, daß
Belgien nicht länger ein Aufmarschgebiet feindlicher Machenschaften sein
dürfe? Wir wissen, was Hertling eigentlich im Sinne hat. Hertling denkt
daran, woran ein Deutscher stets denkt, wenn er von wirtschaftlicher Frei-
heit und von Sicherheit der Grenzen spricht. Er denkt dabei immer daran,
dem schwächeren Nachbarn wirtschaftliche Fesseln anzulegen, oder sich etwas
von seinem Gebiet anzueignen, um seine eigene Grenze zu verstärken. Wenn
die Deutschen solche Phrasen gebrauchen, so denken sie stets an die Wieder-
herstellung eines Belgiens, das Deutschland durch verschiedene neue Be-
dingungen territorialer, kommerzieller oder militärischer Natur dienstbar
sein soll, Bedingungen, die Belgien daran verhindern werden, einen selb-
ständigen Platz unter den europäischen Nationen einzunehmen, den Deutsch-
land versucht hat, ihm zu nehmen, während es sich aber ebenso wie Eng-
land verpflichtet hatte, ihm diesen zu erhalten.
Ich wende mich jetzt zu Hertlings Haltung zu den vier Grund-
sätzen Wilsons (s. Ver. St., 11. Febr.). Ist der Grundsatz wirklicher Ge-
rechtigkeit der leitende Grundsatz der deutschen auswärtigen oder mili-
tärischen Politik? Betrachten Sie Hertlings Sinnesart bezüglich Elsaß-
Lothringens. Ich wünsche ganz ehrlich vorzugehen. Es läßt sich vorstellen,
daß ein Deutscher einen anderen Standpunkt über Elsaß-Lothringen ein-
nehme, als Franzosen, Briten, Italiener und Amerikaner, aber ich kann
mir keinen Mann vorstellen, der von Grundsätzen wirklicher Gerechtigkeit
spricht und dabei erklärt: „Es gibt keine elf.-lothr. Frage. Sie ist so un-
diskutierbar, daß wir uns weigern, sie überhaupt zu erwägen, wenn die
Friedenskonferenz zusammentritt.“ Dies ist die Erklärung dieses Friedens-
anwalts. Der zweite große Grundsatz ist, daß Völker und Provinzen nicht
von einer Herrschaft an eine andere Herrschaft verhandelt werden sollen,
als wenn sie unsere Sklaven wären. Wir haben erst kürzlich ein deutliches
Beispiel dafür erhalten, wie Hertling in der Praxis den Grundsatz auslegt,
den er in der Theorie billigt. Ohne auf die anderen Eroberungen oder
territorialen Abmachungen einzugehen, die Deutschland in Rußland gemacht
hat oder im Begriff ist zu machen, weiß Holt sehr wohl, daß Deutschland
bei der Festsetzung der Grenzen der Ukraine einen Teil unzweifelhaft poln.
Gebietes der neuen Republik aushändigte. Das Ergebnis war ein Aus-
bruch poln. Entrüstung, der dazu führte, daß man ein Zugeständnis machte
und daß die unter deutschem Einfluß festgesetzte Grenze augenscheinlich ab-
geändert werden wird. Wir kommen dann zu dem dritten Grundsatz, und
hier macht Hertling, wie ich sehe, eine geschichtliche Abschweifung und sagt,
daß das Gleichgewicht der Mächte mehr oder weniger eine veraltete Doktrin
sei. Er bemerkt weiter, daß England die große Stütze der Lehre vom Gleich-
gewicht der Mächte war und daß England sie stets zum Zwecke seiner Ver-
größerung angewandt hat. Dies sind seine genauen Worte: „Es ist nur ein
anderer Ausdruck für Englands Herrschaft.“ Das ist eine äußerst unhistorische
Methode, die Frage zu betrachten. Unser Land kämpfte einmal, zweimal,