Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Großbritannien. (Mai 17.) 183 
zeigt hätte, so hätte dieses sicher zugunsten eines Friedens gewirkt, der die 
Wiedergewinnung Elsaß-Lothringens in Aussicht stellte; denn auf diese 
Rückgabe Elsaß-Lothringens liefen doch die Vorschläge dieses Briefes hinaus. 
Wäre tatsächlich die Möglichkeit vorhanden gewesen, auf Grund dieser Vor- 
schläge zu einem ehrenvollen Frieden zu gelangen, so hätte der Ausschuß 
doch sein Bedauern darüber ausdrücken müssen, daß der franz. Minister- 
präsident diese Gelegenheit nicht ergriffen habe. Jedenfalls kann man uns 
nicht vorwerfen, daß wir in dieser Sache selbstsüchtige Ziele gehabt hätten. 
Keiner wünscht mehr als die britische Regierung, den Krieg zu einem ehren- 
vollen Ende zu führen, und wenn uns ein Weg dahin bezeichnet werden 
kann, werden wir ihn natürlich beschreiten. Wir gehören einem Verbande 
von vielen Nationen an, die gegen die Mittelmächte kämpfen. Diese haben 
aber, soviel mir bekannt ist, niemals und jetzt weniger als je die Absicht 
gehabt, unsern berechtigten Wünschen, über die in diesem Hause und im 
ganzen Lande völlige Einigkeit herrscht, entgegenzukommen. Unsere großen 
Kriegsziele können nur erreicht werden durch vollkommenes gegenseitiges 
Vertrauen unter den Bundesgenossen. — Asquith drückt sein Einverständnis 
mit der Regierungserklärung aus. 
17. Mai. Gen. Smuts angeblicher „Friedensfühler“. 
Bei der Verleihung der Ehrenbürgerrechte von Glasgow führt der 
südafrik. Gen. Smuts u. a. aus, die volle Wucht der ganzen angesammelten 
Anstrengungen im Kriege laste jetzt auf England. Der Feind habe ver- 
sucht, das britische Heer zu zertrümmern, weil er erkannte, daß es der ent- 
scheidende Faktor sei, und daß, wenn er es schlagen könnte, der Krieg vor- 
über sein würde. England habe dem Feinde zu beweisen, daß es nicht 
wahrscheinlich sei, daß die Briten weder als Heer, noch als Nation müde 
würden. Die deutsche Offensive habe zwei Vorteile für die Alliierten ge- 
bracht, einmal die Einheit im Oberbefehl, was sich als ein höchst wertvoller 
Gewinn erweisen werde. Das Land stehe in größter Schuld gegen Lloyd 
George wegen seiner unermüdlichen Anstrengungen, diese Einheit zu sichern. 
Das zweite Ergebnis der deutschen Offensive sei, daß in England die pazi- 
fistischen Stimmen verstummt seien. Ludendorff habe sich als einer der 
größten Wohltäter Englands erwiesen. Er habe nicht nur Großbritannien, 
sondern auch Amerika aus dem Schlaf gerüttelt. Er (Smuts) gestehe offen, 
daß die Lage vorerst sehr ernst aussehe; dennoch sei er überzeugt, daß der 
Krieg zu einem entscheidenden Ergebnis führen und nicht mit Remis enden 
würde. Es gäbe Leute, die unter einem Sieg der Alliierten die vollständige 
Zertrümmerung Deutschlands und die Diktierung der Friedensbedingungen 
in Berlin verstünden. Er sei nicht dieser Meinung. England kämpfe nicht, 
um die größte Militärmacht der Welt zu werden, das sei Deutschlands 
Siegesideal. S. drückt sodann sein tiefes Bedauern über die kürzlich vor- 
gekommenen Enthüllungen der Friedensschritte aus, weil, wenn der Krieg 
zu einem Ende kommen solle, die Kriegführenden dann und wann inoffiziell 
in Verbindung treten müßten, um zu erfahren, was ihre Gegner denken 
und welchen Vorteil sie aus der Lage ziehen möchten, wie sie sie auffassen. 
Die einzige Alternative sei, weiterzukämpfen, bis die eine Seite völlig zer- 
mürbt wäre. Die Zeit muß kommen, fährt S. fort, in der der Feind be- 
reit ist, auf unsere Hauptbedingungen einzugehen, aber wenn keine inoffi- 
zielle Vergleichung der Auffassungen stattfindet, wie können die Kriegführen- 
den wissen, daß der Feind bereit ist, auf sie einzugehen. Der Gang zur 
Friedenskonferenz ohne die Gewißheit, daß die Hauptbedingungen an- 
enommen werden, wäre das Gefährlichste, was man tun kann. Die Kon- 
ferem, die schließlich einberufen werden wird, wird eine Konserenz werden,
	        
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