Großbritannien. (Juni 20.) 191
Hierauf hält der Staatssekretär des Ausw. Balfour eine lange Rede,
in der er auf die Ausführungen Snowdens zur Unterstützung des Morel-
schen Antrages eingeht: Snowden habe gefragt, was mit dem Ausdruck
„Friedensoffensive“" gemeint sei. Er meine damit jeden Versuch, durch
Reden oder auf andere Weise unter dem Vorwand des Wunsches nach
einer ehrenvollen Beendigung des Krieges in den Kampf der Alliierten für
die große Sache der Freiheit Zwietracht zu bringen und die einzelnen Mit-
lieder der Entente zu entmutigen. Die Rede Snowdens sei eines der
lassischsten Beispiele dafür. Jedermann wünsche eine ehrenvolle Beendigung
des Krieges, und niemand wünsche den Krieg wegen irgendwelcher unter-
eordneten Motive fortzusetzen. Snowden habe eine Uebersicht über die
Frirdensvorschläge gegeben, die von Zeit zu Zeit von den Mittelmächten
ausgegangen seien. Sei aber einer davon so gewesen, daß ihn ein vernünftig
denkender Politiker als eine annehmbare Grundlage für den Frieden hätte
betrachten können? Gebe es irgendwelche Anzeichen dafür, daß die Vor-
schläge, wie der Brief des Kaisers von Oesterreich oder irgendwelche anderen
Vorschläge, in der Absicht gemacht seien, den Frieden zu erhalten, den selbst
ein Mann wie Snowden als einen annehmbaren Frieden betrachten würde?
England habe niemals irgendwelche Vorschläge zurückgewiesen, die seiner
Meinung nach auch nur die geringste Aussicht auf einen Frieden, wie ihn alle
wünschten, gewährt hätten. Es sei gar kein Anzeichen dafür vorhanden,
daß die deutsche Regierung es mit einem solchen Friedensangebot jemals
ernst gemeint hätte. Habe die deutsche Regierung jemals offen und deutlich
in einem ihrer Dokumente oder einer ihrer Reden erklärt, daß Belgien
aufgegeben, wiederhergestellt und wieder in die Lage absoluter wirtschaft-
licher und politischer Unabhängigkeit versetzt werden würde? Er kenne keine
solche Erklärung. Dann hätten es die deutschen Staatsmänner so dargestellt,
als ob sie den englischen Staatsmännern annehmbare Friedensbedingungen
angeboten hätten, und als ob die englischen Staatsmänner darauf bestünden,
den Krieg fortzusetzen. Was immer die Absichten Snowdens sein mögen,
sein Verhalten im Hause sei danach angetan, die Alliierten und ihre Freunde
zu entmutigen und die Mittelmächte und ihre Freunde zu ermutigen. Dies
sei eine jämmerliche Leistung. Snowden scheine zu glauben, daß die Alli-
ierten in diesen Punkten mit dem Präsidenten Wilson nicht übereinstimmten.
Soviel er wisse, bestehe keine Meinungsverschiedenheit zwischen den Alliierten
und Wilson über die Kriegsziele. Snowden habe auch nicht recht, wenn er
annehme, daß die Geheimverträge, die er erwähnte, dem Frieden hinderlich
seien. Es ist, sagt B., ein Irrtum, anzunehmen, daß der Vertrag mit
Italien dem Frieden im Wege stehe. Die Alliierten sind bereit, in ihrer
Gesamtheit auf alle vernünftigen Vorschläge zu hören. Nimmt Snowden
wirklich an, daß, wenn ein solcher Vorichlag gemacht würde, die Tatsache, daß
die Regierung vor drei Jahren anders darüber dachte, sie jetzt daran hindern
würde, ihn anzunehmen? Alle Vorschläge, die an die Alliierten gelangen,
werden so beurteilt, wie sie es verdienen. Jene Verträge wurden von Eng-
land mit den anderen Mitgliedern der Allianz geschlossen. Unsere nationale
Ehre ist durch sie verpfändet. Ich kann mir wirklich keinen unglücklicheren
Augenblick für die Kritik Snowdens an unserem italienischen Alliierten
denken, als diesen Moment, in dem die Alliierten heldenhaft gegen den
österreichischen Feind kämpfen. Wenn sich herausstellen sollie, daß die vor
einigen Jahren geschlossenen Verträge im gemeinsamen Interesse der Allianz
einer Abänderung bedürfen, so zweifle ich nicht daran, daß die Italiener
selbst einen Abänderungsvorschlag machen werden. Hier erinnert ein Abg.
B. daran, daß sich auf der südflaw. Konferenz in Rom deutlich ergeben habe,
daß die ital. Regierung geneigt sei, die in dem Vertrage festgelegte Politik